Die Industriegeschichte Sudenburgs

Firmenblatt: Bearbeitungsstand: 10.03.2020

Magdeburger Pumpenfabrik Philipp Hannach

bzw.

Magdeburger Pumpenfabrik Otterburg & Co.

Firmendaten:

Gründung - Ende: 1868 (1906) - 1945
Gründer: Philipp Hannach (* ????, † vor 1896)
Standort(e): Ab 1906: Heumarkt 4
Ab 1914: Herderstraße 2, Wilhelmstadt (heute MD-Stadtfeld-Ost)
nach 1920: Stolzestraße 2-5 , Wilhelmstadt (heute MD-Stadtfeld-Ost)
Produkt(e): Fabrik für Pumpen aller Art.
Bemerkungen:  
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Briefkopf der Magdeburger Pumpenfabrik Philipp Hannach von 1934.
[Bildquelle: Archiv T. Garde]

Zur Information:

Die Magdeburger Pumpenfabrik Philipp Hannach war zwar keine Sudenburger Firma, bildete aber zusammengelegt mit Firma R. A. Knöllner (Brauerei- und Kellereimaschinen) und der Firma Oberländer (Kühlanlagenbau) nach Kriegsende den Grundstock für den VEB Brauerei- und Kellereimaschinenfabrik Magdeburg (BKM), später VEB Getränkemaschinenbau Magdeburg, mit Sitz in Fichtestraße und Sudenburger Wuhne.

Link zur Seite VEB Brauerei- und Kellereimaschinenfabrik Magdeburg

(Nach 1990 BKM Brauerei- und Kellereimaschinen Magdeburg GmbH)

Firmenchronik:

Jahr: Ereignis: 
1868 Firmengründung in Lissa in der Provinz Posen (heute Leszno, Polen) durch den gelernten Brunnenbauer Philipp Hannach.[2]
1898 Julius Hannach heiratet am 24.12.1896 Emmy Cohn (* 10.10.1875) in deren Heimatstadt Berlin. Vater und Firmengründer Philipp Hannach war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben.
Die Söhnen Otto und Julius Hannach führten die Fabrik in zweiter Generation weiter.
Julius und Emmy Hannach leben zunächst in Lissa, wo auch ihre beiden Söhne geboren werden.
Kurt Paul Hannach am 19.09.1897, Erich Hannach am 25.09.1900.[2]

1906 Gründung einer Zweigstelle in Magdeburg, am Heumarkt 4 (MD-Brückfeld).
Inhaber der Magdeburger Filiale sind die Söhne des Firmengründers, die Kaufleute Otto und Julius Hannach.
Beide wurden in Lissa geboren. Julius Hannach am 26.05.1861, sein ältere Bruder Otto Hannach 1859.[2]
Wer die Magdeburger Filiale leitet ist unklar, da die Hannachs gem. Magdeburger Adressbuch bis 1919 weiterhin in Lissa wohnen.[1]
1916+19 Adr1917+1920:
Philipp Hannach, Lissa i. P., mit Zweigniederlassung in Magdeburg, Pumpenfabrik,
Herderstr. 2 (MD-Stadtfeld-Ost)
Inh. Otto Hannach und Julius Hannach, beide in Lissa i. P (heute Polen)
1919 Aufgabe des Standortes Lissa, da der Ort nach Ende des 1. Weltkriegs an Polen fällt.[2]
Otto und Julius Hannach ziehen nach Magdeburg und aus der bisherigen Niederlassung wird der Hauptstandort.
Andere Familienangehörige leben in Berlin.
1920 Julius Hannach wird alleiniger Firmeninhaber.
Er wohnt zunächst Tismarstraße 23, ab 1923 II. OG eines Gründerzeithaus im Hohenstaufenring 9, am Rande des Nordparks.[2]

Bruder Otto Hannach zieht sich aus der Firmenleitung zurück, wird aber in den Adressbüchern weiter als Fabrikbesitzer geführt. Zwischen 1927 und 1929 setzt er sich zur Ruhe. Er wohnt zunächst Otto-von-Guericke-Str. 61 I (1927), 1929 im 2. OG des Hauses Gustav-Adolf-Str. 24 (Eing. Ludolfstr.). 1931 hat die Wohnung als Ludolfstr. 13 eine neue Adresse. Bis mind. 1936 ist der Privatmann Otto Hannach an dieser Adresse gemeldet. Am 20.07.1938 verstirbt er 76- oder 77-jährig in Berlin.
  Umzug in die Stolzestraße 2-5
Nach 1920 wird die Pumpenfabrik Philipp Hannach in die Nachbarstraße verlegt.[2]
Grundstückseigentümer ist der Magdeburger Kaufmann W. Franck, wohnhaft Kaiser-Otto-Ring 16.[1]
1925 Liste der angebotenen Pumpen 1925:[2]
"Pumpen für Feuerlöschzwecke, zweizylindrige Saug- und Druckpumpen, Doppelwirkende Saug- und Druckpumpen, Sintflut-Membran-Saug- und Druckpumpen, große freistehende Hof- und Straßenpumpen, Tiefbrunnenständer, Fassentleerungspumpen, Flügelpumpen, doppeltwirkende Flügelpumpen, vierfachwirkende Flügelpumpen und Flügelpumpen mit Kugelventil" usw.
1926 Magdeburger Adressbuch 1927:
Julius Hannach ist weiterhin alleiniger Firmeninhaber. Auch sein Sohn Kurt Hannach, dieser hatte 1922 sein Ingenieurstudium an der Gewerbe- und Handelshochschule Köthen abgeschlossen, ist inzwischen in die Firma eingestiegen. Er wird gemeinsam mit Wilhelm Grieger Prokurist der Firma (Gesamtprokura).
1927 Adr1928: Philipp Hannach, Pumpenfabrik, Stolzestr. 2-5 (MD-Stadtfeld-Ost),
Inh. Julius Hannach, Ges. Prok. Wilhelm Grieger und Kurt Hannach

Stolzestr. 2-5:
E. Franck, W., Kfm. (Kaiser-Otto-Ring 16).
Behrens, P., Maschinenfabrik.
Hannach, Ph., Pumpenfabrik

Hannach, Julius, Fbrkbes., Hohenstaufenring 9 II, T. f. Philipp Hannach.
Hannach, Otto, Fbrkbes., Otto von Guericke-Str. 61 I.
1928 Erich Hannach, der jüngere Sohn des Julius Hannach, studierte Jura an den Universitäten Breslau, Freiburg, Heidelberg und Berlin. Ab Ende 1923 kommt er als Referendar zurück nach Magdeburg. Als promovierter Jurist erhält Dr. jur. Erich Hannach im Dezember 1928 seine Zulassung als Rechtsanwald. Er eröffnet eine Kanzlei im Breiten Weg 42, wohnt zunächst in der elterlichen Wohnung Hohenstaufenring 9 II.[2]
1933 Machtergreifung der Nationalsozialisten.
Schwere Folgen für die Hannachs sind die Folge, da die Familie jüdischen Glaubens ist. Bereits am 05.05.1933 erhält Dr. jur. Ernst Hannach ein Vertretungsverbot und im Juni wird sein Name aus der Liste der zugelassenen Rechtsanwälte beim Amts- und beim Landgericht Magdeburg gestrichen. Er muss seine Kanzlei aufgeben und steigt als neuer Prokurist in die elterliche Firma ein. Bruder Kurt Hannach räumt dafür seinen Posten und wird 1933 oder 1934 Mitinhaber der Familienfirma.[2]
1936 Obwohl Druck und Repressalien immer weiter zunehmen, findet man die Familie im Magdeburger Adressbuch 1937 noch vereint in Magdeburg:[1]

Philipp Hannach, Pumpenfabrik, Stolzestr. 2-5,
Inh. Jul. Hannach (Hohenstaufenring 9 II) u. Ing. Kurt Hannach (Hebbelstr. 8)
Prok. Wilhelm Grieger (Gr. Diesdorfer Str. 229), Dr. jur. Erich Hannach (Hohenstaufenring 9 II)

Hannach, Erich, Dr. jur., Prok. d. Fa. Ph. Hannach, Hohenstaufenring 9 II.
Hannach, Julius, Fbrkbes., Hohenstaufenring 9 II, T. f. Philipp Hannach.
Hannach, Kurt, Ing., Hebbelstr. 8, T. f. Philipp Hannach.
Hannach, Otto, Privatm., Ludolfstr. 13 II.
1937 Dr. jur. Erich Hannach heiratet am 09.02.1937 Else Broder (* 02.01.1915 in Berlin). Die junge Familie bezieht eine Wohnung im Haus Gellertstraße 14, Wilhelmstadt (heute Stadtfeld-Ost), nahe dem Firmengelände. Am 08.11.1937 wird Tochter Ruth geboren.[2]
1938 Die Familie von Dr. Ernst Hannach wird aus der Wohnung Gellertstraße 14 geworfen und kommt im Haus des Schwiegervaters unter, am Askanischen Platz 4.

Im November 1938 bricht eine Katastrophe über die Familie Hannach herein. Am 10. November, am Tag nach der Progromnacht gegen die jüdische Bevölkerung und deren Einrichtungen, werden Kurt und Dr. Erich Hannach, zusammen mit ca. 130 Magdeburger Juden verhaftet, zunächst ins Polizeigefängnis verbracht und am 11. November ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt.
Die zurückgebliebenen Eltern, Julius und Emmy Hannach, sind der Situation und dem ständigen Druck wohl nicht mehr gewachsen und sehen für sich keinen Ausweg und keine Lebensperspektive mehr. Gemeinsam beschließen sie, ihrem Leben mittels Schlaftabletten ein Ende zu setzen.
Emmy Hannach stirbt am 22.11.1938 in ihrer Wohnung Hohenstaufenring 9. Sie wurde 62 Jahre alt.
Ihr Ehemann wird noch lebend aufgefunden und ins Altstädter Krankenhaus gebracht.
Julius Hannach verstirbt am 25.11.1938, drei Tage nach seiner Ehefrau, im Alter von 77 Jahren.

Dr. Ernst Hannach kommt am Todestag der Mutter aus Buchenwald frei, Kurt Hannach kehrt einen Tag nach dem Tod des Vaters nach Magdeburg zurück. Beide erhielten vor ihrer Entlassung die unmißverständliche Aufforderung, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen.
Bevor sie dies umsetzen können, müssen die Hannachs (Kurt ist nach dem Tod des Vaters alleiniger Firmeninhaber) noch die "Arisierung" und den Zwangsverkauf der Firma miterleben. Prokurist Dr. Ernst Hannach wird vom neuen "arischen" Inhaber sofort fristlos entlassen. Das dieser auch die geräumte Wohnung Gellertstraße 14 bezieht, ist sicher kein Zufall.
Prokurist Wilhelm Grieger wird 1938 (Magdeburger Adressbuch 1939) als "Vertreter" geführt, im Folgejahr ist er nicht mehr verzeichnet.
Nach dem Verlust der Firma emmigrieren Kurt und Dr. Erich Hannach nach England. Die Familien müssen sie zurücklassen, in der Hoffnung sie später nachholen zu können.[2]
  Werbeanzeige des neuer Inhabers nach der "Arisierung" 1938:

B_BKM/Adr1942_Otterburg_w.jpg
Werbeeintrag Magdeburger Pumpenfabrik Otterburg & Co. von 1942.
[Bildquelle: Magdeburger Adressbuch 1942]

1939 Ab dem Magdeburger Adressbuch 1940 findet sich folgender Eintrag zur Pumpenfabrik:

Magdeburger Pumpenfabrik Otterburg & Co.
Stolzestr. 2-5,
Pers. haft. Ges. Werner Otterburg (Fbrkbes., Gellertstr. 14).
Ges. Prok.:
Hans Schuster (Friesenstr. 6),
Hans Frantzok (Schillerstr. 37),
Charlotte Mühlberg (Jordanstr. 17)


Der Name Hannach ist im Adressbuch 1940 nicht mehr zu finden.
1941 Magdeburger Adressbuch 1942:

Magdeburger Pumpenfabrik Otterburg & Co., Stolzestr. 2-5,
Betr. Führ. Werner Otterburg.
Ges. Prok. Hans Frantzok, Charlotte Mühlberg, Kurt Schiers
[Adr1942 T.IV S.30]

Für Hans Schuster ist nun Kurt Schiers neuer Prokurist der Pumpenfabrik.
1944/45 Bei einem der Bombenangriffe auf Magdeburg wird das Firmengrundstück Stolzestraße 2-5 getroffen, die Fabrik wird zerstört.
(Wann genau der Angriff erfolgte, ist noch nicht geklärt)
  Nach Kriegsende wird die Firma in "Volkseigentum" überführt und produziert an einem Ausweichstandort weiter.
Was aus dem Inhaber Werner Otterburg wurde ist unbekannt. Im Magdeburger Adressbuch 1950/51 wird er nicht mehr geführt.

Weiter mit der Firmengeschichte auf der Seite:

VEB Brauerei- und Kellereimaschinen Magdeburg

(später VEB Getränkemaschinenbau Magdeburg und BKM Brauerei- und Kellereimaschinen Magdeburg GmbH
   
  Weiteres Schicksal der Familie Hannach:[2]
Nachdem die Ehemänner Deutschland verlassen haben, zieht Else Hannach mit ihrer Tochter Ruth nach Berlin, um dort auf ihre Ausreise zu warten. Hanna Hannach bleibt mit Tochter Eva Alice in ihrer Magdeburger Wohnung Hebbelstraße 8. Eine schwierige Situation für sie, da die Hausbewohner sie mit der Begründung, dass es unzumutbar wäre, mit Juden unter einem Dach zu leben, aus dem Haus haben wollen. Zu erwähnen ist noch, dass Hanna Hannach zumindest vor ihrer Hochzeit keine Jüdin war.

Kurt und Dr. Erich Hannach werden 1940 von England nach Australien weitergeschickt, wo sie sich einbürgern lassen. Da die neue Staatsangehörigkeit auch auf Ihre Familie übergeht, bietet der Ausländerstatus ihnen in Deutschland einen gewissen Schutz.

Kurts Tochter Eva Alice wird 1945 wegen der Bombenangriffe ins Harzvorland evakuiert. Nach dem Krieg gehen Mutter und Tochter nach Australien, wo sich die kleine Familie wieder vereint.
Else Hannach und Tochter können 1944 im Austausch gegen deutsche Gefangene ausreisen und nach Palästina gelangen, wo Ehemann Dr. Erich Hannach bereits seit 1942 lebte. Er stirbt dort um 1970.

Heute erinnern in Magdeburg nur noch zwei verlegte Stolpersteine an die Familien Hannach. Sie wurden zur Erinnerung an Julius und Emmy Hannach vor ihrem ehemaligen Wohnhaus verlegt.

B_BKM/Stolpersteine_142_Hannach.jpg
Verlegte Stolpersteine für Julius und Emmy Hannach.
[Bildquelle: R. Schulze]

Quellen:

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Copyright © 2012-2020 Thomas Garde