Die Industriegeschichte Sudenburgs

Firmenblatt: Bearbeitungsstand: 06.04.2018

Meißemann & Co.

Feilenfabrik und Feilenhauerei

Firmendaten:

Gründung - Ende: 1888 - 1968
Gründer: Fritz Otto Meißemann (* 24.02.1866, † 20.09.1929 in Magdeburg)
Standorte: 1888-1910: Magdeburg-Sudenburg, Leipziger Str. 13 (heute Gelände der Edelweißpassage)
1910-1968: Magdeburg-Sudenburg, Walmbergsweg 22 (1949 umbenannt in Zuckerstraße 2)
Produkt(e): Feilenherstellung und Feilenaufbereitung
Bemerkungen: Meißemann & Co. werben zwar mit dem Standort Sudenburg, das Grundstück Walmbergsweg 22 gehörte jedoch bis zur Wende zu Ottersleben. 
Firmenadresse auf Brief von 1928
Adressaufdruck auf Briefumschlag von 1928.
[Bildquelle: Archiv T. Garde]

Firmenchronik:

Jahr: Ereignis:
1888 Firmengründung
durch den 22-jährigen Fritz Otto Meißemann an der Leipziger Straße, auf dem Gelände der heutigen Edelweißpassage.
Meißemann war vorher in verschiedenen deutschen Betrieben tätig. Er gewann dadurch Berufspraxis und erfüllte die Vorraussetzungen für die Meisterprüfung. [1]
  Nach der Gründung war Ehefrau Auguste Marie Meißemann, geb. Hiob (* 20.02.1857, † 29.04.1924 in Magdeburg) [2] zeitweise Mitgesellschafterin der Firma.
Das Ehepaar hatte 3 Kinder: [1][2]
- Fritz Wilhelm Meißemann (* 22.11.1890, † 29.12.1968), Ehefrau: Pauline (* 12.03.1894, † 27.05.1971),
- Helene Ottilie Meißemann (* 29.05.1895, † 02.10.1965),
- Wilhelm August Meißemann (* 1896, † 1988), Ehefrau: Helene (* 1898, † 1988).
1895 Volksstimme 1895-193, Dienstag, 20.08.1895:

Tages-Chronik. Magdeburg, 19. August 1895
"In der Feilenschleiferei von F. Meissemann, Leipzigerstraße 13, platzte Sonnabend nachmittag gegen 5 1/4 Uhr ein Schleifstein, welcher in der Minute über 200 Umdrehungen machte. Der Schleifer Eigenwillig wurde zur Seite geschleudert. Der Stein war 11 Zoll breit und einen Meter hoch, er spaltete sich in zwei Teile und flog nach vorn. Wären die je 3 Zentner schweren Teile nach hinten geschleudert, hätte mehr Unglück entstehen können."
1910 Umzug in den Walmbergsweg.
1910 kauft Meißemann das Grundstück Walmbergsweg 22 (heute Zuckerstraße 2) und läßt dort ein Wohnhaus für die Familie und ein modernes Werkstattgebäude für die Feilenfabrik errichten. [1]
1920er Umwandlung in eine oHg
In den 1920er Jahren wird die Firma in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt. Neben den Eltern waren nun auch die Kinder Mitinhaber der Firma. [1]
1924 Todesfall:
Am 29.04.1924 stirbt Auguste Marie Meißemann, die Ehefrau des Firmengünders. [1]
1927 Magdeburger Adressbuch 1927, Handelsregister:
Meißemann & Co., Walmbergsweg 22,
Inh. Fritz Meißemann sen., Wilhelm Meißemann,
Fritz Meißemann jun., Frl. Helene Meißemann, Großottersleben,
Je zwei Gesellschafter sind zur Vertretung berechtigt.
1929 Todesfall:
Am 20.09.1929 stirbt Firmengründer Fritz Meißemann sen. im Alter von 63 Jahren.
Inhaber der Firma sind nun die drei Kinder. [1]
1933 Am 31.12.1933 scheidet die Schwester Helene Ottilie Meißemann aus der Firma aus.
Die Brüder Fritz Wilhelm und Wilhelm August Meißemann sind nun alleinige Firmeninhaber. Ca. 30 Arbeiter waren Mitte der 1930er Jahre in der Firma beschäftigt. [1]
1939-45 Kriegszeit.
Mit Kriegsbeginn 1939 wurden viele Mitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen. Um dies zu kompensieren, kamen drei Kriegsgefangene als Arbeiter in den Betrieb. [1]
Leider bleibt offen, wer sie waren, ob sie angefordert oder zugewiesen wurden, wie man mit ihnen umging und was aus ihnen wurde.
nach 1945 Kriegsende und Nachkriegszeit:
Der Betrieb übersteht den Krieg unbeschadet, obwohl die benachbarte Zuckerraffinerie durch Bomben und Granatbeschuss schwer beschädigt wird. Meißemann & Co. kann weitermachen. Da alle anderen Magdeburger Feilenhauer den Betrieb 1945 einstellten, ist die Auftragsflut kaum zu bewältigen. Bis zu 10.000 Feilen müssen im Monat aufgearbeitet werden.
Nach dem Krieg kommt der 1929 geborene Wilhelm Meißemann jun. als Lehrling in den Betrieb von Vater und Onkel. [1]
1956 Wilhelm Meißemann jun. verläßt die Firma.
Grund ist, dass mit ihm die Belegschaft auf über 10 Beschäftigte gestiegen wäwe, wodurch die Firma nicht mehr als Handwerks- sondern als Industriebetrieb gegolten hätte. Dies wäre steuerlich das Aus für die Firma gewesen. [1]
1957 Wilhelm Meißemann jun. kehrt in die Firma zurück.
Nachdem einige Arbeiter die Firma verlassen hatten, die verstaatlichten ("volkseigenen") Betriebe boten bessere Bezahlung und körperlich nicht ganz so schwere Arbeit, kommt Wilhelm Meißemann jun. nach einem Jahr zurück in die Firma. [1]
1968 Ende der Firma.
Mitinhaber Fritz Meißemann stirbt am 29.12.1968 im Alter von 78 Jahren. Wilhelm Meißemann sen., selbst bereits Anfang 70, gibt die Firma auf. Sohn Wilhelm jun. hatte die Firma zuvor bereits verlassen.
Der Maschinenpark wurde mit dem Ende der Firma verschrottet. Dem Rat des Bezirks wurden die Maschinen angeboten, jedoch hatte dieser kein Interesse. Eine Feilenhauermaschine, sowie eine Säulenbohrmaschine aus dem Jahr 1890 wurden dem Museum gestiftet. [1]
An welches Museum? Verbleib? Vielleicht im Technikmuseum?
   
1988 Sowohl Wilhelm August Meißemann, als auch seine Ehefrau Helene versterben in diesem Jahr. [2]
1989 Am 1. Oktober 1989 verkaufen die Erben das Grundstück weit unter Preis. [1]
Unklar wer das Grundstück kurz vor Ende der DDR gekauft hat und wie das Grundstück genutzt wurde.
Im Magdeburger Adressbuch 1994/95 findet sich zur Zuckerstraße einzig der Eintrag: 2 Motoren-Gorks.
2018 Im März 2018 läßt der neue Eigentümer das gesamte Grundstück beräumen. Das alte Wohnhaus, das Dach war bereits eingestürzt, und die Werkstattgebäude werden abgerissen.
Im April folgt das benachbarte Grundstück. Die Gebäude (ehemals u.a. Sitz der Motorradfabrik Kirchheim & Co. AG und dem Baugeschäft Knoche & Hausdorff) werden ebenfalls abgerissen.

Quellen:

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