Die Industrie- und Firmengeschichte Sudenburgs

Firmenblatt: Bearbeitungsstand: 07.03.2023

Voigt & Co. GmbH

- Mostrich-, Weinessig- und Essigsprit-Fabrik -

Firmendaten:

Gründung - Ende: 1882 - 1972 (VEB bis 1990)
Gründer: Hugo Voigt (* ????, † 1911)
Gilbert Wunderling (* 14.02.1856 in Magdeburg, † 09.04.1921 in MD-Sudenburg)
Standort(e): 1882 - 1886: Prälatenstraße 14 (MD-Altstadt)
1886 - 1890: Bahnhofstraße 29 (MD-Altstadt)
1890 - 1990: Langer Weg 45 (MD-Sudenburg)
Produkt(e): Senf (Mostrich), Essig, Weinessig, Essigsprit, Senfmehl. 1908 bis 1924 auch Speiseöl.
Bemerkungen: Die Fabrikanlage ist erhalten und nach der Wende unter Denkmalschutz gestellt worden. Die alten Fabrikgebäude wurden zu Wohnzwecken umgebaut und als Eigentumswohnungen vermarktet. 
Briefkopf Voigt & Co. von 1895
Briefkopf Voigt & Comp. von 1895. [Bildquelle: Archiv Thomas Garde]

Der Briefkopf auf dem Firmenrechnungsblatt von 1895 zeigt das Firmengelände zur damaligen Zeit.
Es erstreckt sich zwischen Langer Weg und Fichtestraße. Am Langen Weg steht das 2,5-geschossige in Ziegelbauweise errichtete Kontorgebäude (rechts im Bild), in dessen Obergeschoss die Gründerfamilie lebte. Links daneben befindet sich die Grundstücksauffahrt. Im hinteren Grundstücksbereich wurden die Produktionsgebäude angelegt, in der für diese Zeit typischen einfachen Ziegelrohbauweise. Das kleine Gebäude an der linken (südlichen) Grundstücksgrenze wich kurze Zeit später (vor 1912) einem größeren, viergeschossigen Produktionsgebäude, das ebenfalls in Ziegelrohbauweise errichtet wurde. Beim zweigeschossigen Gebäude an der Nordgrenze dürfte es sich ursprünglich um das Maschinen- und Mühlengebäude gehandelt haben.

Firmenchronik:

 - 1882 - Firmengründung   [nach oben]

Die Kaufleute Hugo Voigt und Gilbert Wunderling gründen die Dampf-Mostrichfabrik Voigt & Comp..
Wohn- und Firmenadresse ist Prälatenstraße 14 (Hinterhaus) in der Magdeburger Altstadt. Das Geschäft läuft so gut an, dass sich die Gründer nach kurzer Zeit bereits nach einem größeren Grundstück umsehen müssen. [Adr1884-86]

 - 1886-89 - Umzug in die Bahnhofstraße 29, Produktion von Essigsprit   [nach oben]

Fündig werden Voigt und Wunderling ganz in der Nähe. Die Dampf-Mostrichfabrik Voigt & Comp. erwirbt des Grundstück Bahnhofstraße 29. Gemeinsam mit weiteren Mietern bewohnen die Gründerfamilien das dort vorhandene Mehrfamilienhaus, die Fabrik liegt wahrscheinlich auf dem Hof des Grundstücks. Dank des besseren Platzangebots kann die Produktion um Essigsprit erweitert werden. 1889 lautet der neue Firmenname
Voigt & Comp.
Dampfmostrich- und Essigsprit-Fabrik

Schnell stellt sich auch das Grundstück in der Bahnhofstraße als zu klein heraus. Im Stadtteil Sudenburg, nahe dem Sudenburger Bahnhof, wird daher ein großes, unbebautes Grundstück erworben, das auch Platz für spätere Erweiterungen bietet. Dort entstehen neue Fabrikgebäude sowie ein repräsentatives Wohnhaus für die Eigentümerfamilien. [Adr1887-90]

 - 1890 - Umzug nach Sudenburg   [nach oben]

Nach Fertigstellung der neuen Gebäude erfolgt der Umzug nach Sudenburg. Die neuen Firmendaten lauten:

Voigt & Comp.,
Mostrich- und Essigsprit-Fabrik
(Inh. H. Voigt und G. Wunderling)
Langeweg 45


Gilbert Wunderling und Familie beziehen das Erdgeschoss des neuen Wohnhauses, Hugo Voigt und Familie das Obergeschoss. Das Grundstück Bahnhofstraße 29 verbleibt zunächst in Firmenbesitz. Um den Kontakt zur Magdeburger Altstadt nicht zu verlieren verbleibt dort ein Zweigkontor. [Adr1891]
Nach dem Verkauf des Grundstücks Bahnhofstraße im Jahre 1891 zieht das Altstadtkontor in die Leiterstraße 13a um. [Adr1892]
Info: Die Schreibweise des Straßennamens hat sich über die Jahre verändert. Vom ursprünglichen "Langeweg" über "Lange Weg" zum heutigen Namen "Langer Weg".

 - 1894 - Goldmedaille   [nach oben]

Voigt & Co. werden auf der Internationalen Ausstellung für Nahrungsmittel, Armeeverpflegung, Industrie, Gewerbe und Sport in Dresden mit der höchsten Auszeichnung geehrt, der Goldmedaille. [1]

 - 1897 - Erweiterung des Fabrikgebäudes.   [nach oben]

Das Produktionsgebäude an der hinteren Grundstücksgrenze erfuhr links des Treppenhauses eine Erweiterung. Grund dürfte die neu aufgenommene Produktion von Weinessig sein. [1]

1897_Voigt_Rech_Gelaendeauszug_w.jpg
Auszug aus Briefkopf von 1897 mit der Gebäudeerweiterung.
[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]

Die Auslieferung der Produkte erfolgt in "Patentfässern", die per Bahn vom nahegelegenen Sudenburger Bahnhof oder über Fuhrunternehmen zum Kunden transportiert werden. Mit einem Aufkleber auf den Rechnungsblättern werden die Kunden über die richtige Aufbewarung des Weinessig informiert:

1898_Voigt_Aufbewahrung_Weinessig.jpg
Aufkleber auf Rechnungsblatt von 1898
[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]

"Aufbewahrung von Weinessig.
Es empfielt sich, die Fässer gleich nach
Ankunft mit einem Holzhahn zu versehen und
dann 4 - 6 Wochen auf gutem Lager ruhen zu
lassen, ehe die Waare in Angriff genommen wird."


 - 1899 - Neue Prokoristen- und Kutscherstelle.   [nach oben]

Neben den üblichen Produkten Mostrich, Weinessig und Essigsprit wirbt die Firma erstmals auch mit einem Lager von denaturiertem Spiritus. Nach 1904 wird dieses Produkt nicht mehr beworben.
Neu sind auch eine Prokuristen- und eine Kutscherstelle.
Erster Prokurist der Firma wird Gustav Wunderling, Bruder des Firmengründers Gilbert Wunderling. Er wohnt nicht mit im Familenwohnhaus Langer Weg, sondern bezieht eine Wohnung im 2.OG des Hauses Helmstedter Straße 57.
Die Firma schafft ebenfalls eine feste Kutscherstelle. Eine Kutscherwohnung wird im 1. OG des Kontorgebäudes (?) auf dem Firmengrundstück eingerichtet. Welche Aufgaben der Kutscher speziell hatte, ist leider nicht überliefert. Er könnte sowohl für die Familien, die Fabrik oder beide tätig gewesen sein. Erster Kutscher wird Friedrich Salomon.
[Adr1900]

 - 1902 - Neu: Produktion von Senfmehl.   [nach oben]

Die Fabrik wirbt ab 1902 mit der Fabrikation von Senfmehl.
Das Altstadtkontor zieht von der Leiterstraße 13a in die Königstraße 60 (heute Otto-von-Guericke-Str.) um. Am 01. April 1902 wird das neue Büro eröffnet.
[Adr1903]

 - 1904 -    [nach oben]

Neben Gustav Wunderling wird 1904 mit Kaufmann Willi Bürklin ein zweiter Prokurist angestellt (Wohnadresse Halberstädter Str. 121c. 3.OG). Beide Prokuristen werden jedoch schon 1905 nicht mehr geführt, möglicherweise im Zuge einer geplanten Umstrukturierung der Firma. Gustav Wunderling fungiert möglicherweise fortan als "Reisender" (Vertreter) für die Firma. [Adr1905+06]

 - 1908 - Umfirmierung in eine GmbH.   [nach oben]

Zwischen 1906 und 1908 wird die Firma in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt und die Produktpalette um die Produktion von Speiseöl erweitert.

1908_Voigt_Briefkopf_w.jpg
Überarbeiteter Briefkopf von 1908. Nun als GmbH und mit neuem Produkt Speiseöl.
[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]
Neue Firmendaten:
Voigt & Co. G.m.b.H.,
Mostrich-, Weinessig- und Essigsprit- und Speiseöl-Fabrik, Fabrikation von Senfmehl
,
LangeWeg 45 E., Stadt-Kontor Königstr. 60
Vorstand: Hugo Voigt, Fabrikbesitzer und Gilbert Wunderling, Fabrikbesitzer,
Prokurist: Emil Altrogge

Firmengründer Hugo Voigt und Gilbert Wunderling bilden den Vorstand, Kaufmann Emil Altrogge (Wohnadresse Halberstädter Str. 56 I) wird neuer Prokurist. Die GmbH ist mit einem Stammkapital von 450.000 Mark ausgestattet.
[Adr1909]

 - 1910 -   [nach oben]

Nach 11 Jahren Tätigkeit ist Kutscher Friedrich Salomon ausgeschieden. Der ihm folgende H. Lüders wird jedoch bereits 1911 durch Bruno Tiedge abgelöst. [Adr1911+1912]

 - 1911 - Firmenmitgründer Hugo Voigt stirbt.   [nach oben]

Firmenmitgründer Hugo Voigt verstirbt. Seine Firmenanteile erbt Ehefrau Klara Voigt. Unter der Adressbuchbezeichnung "verw. Fabrikbesitzer." lebt sie weiterhin im OG des Wohnhauses Langer Weg 45. Möglicherweise leben auch die drei Kinder der Voigts (Herbert, Erna und Hertha) noch im Haushalt.
Das Ausscheiden von Hugo Voigt zwingt zu Umstruktorierungen in der Firma. Prokurist Emil Altrogge scheidet aus.
Gilbert Wunderling wird alleiniger Vorstand der GmbH.
Mit Kurt Haeuber und Otto Thielicke übernehmen zwei neue Prokuristen die Firmenleitung.
[Adr1912]

 - 1912 -Erweiterung des Fabrikgebäudes.   [nach oben]

Zwischen 1908 und 1912, das genaue Baujahr ist nicht bekannt, wird die Fabrik um ein neues, fünfgeschossiges Gebäude erweitert, das sich entlang der gesamten südlichen Grundstücksgrenze erstreckt. Vermutlich steht der Anbau mit einem erhöhten Platzbedarf für die neu aufgenommenen Produktion von Speiseöl in Zusammenhang. Genaue Angaben dazu fehlen leider.

Voigt_1912_w.jpg
Briefkopf von 1912 mit dem Erweiterungsbau.
[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]

 - 1914 - 1918 - Erster Weltkrieg.   [nach oben]

Ab 1914 muss die Firma auf Prokurist Otto Thielicke verzichten, der wohl Kriegsdienst zu leisten hat. Nach Kriegsende kehrt er zurück und nimmt seinen Posten wieder auf.

1915 verläßt Witwe Klara Voigt Sudenburg (Ziel unbekannt).

1917 wird Kaufmann Erich Bethge Geschäftsführer der Firma Voigt & Co.
Bethge ist Schwiegersohn von Gilbert Wunderling. Er heiratete 1913 in Sudenburg Tochter Elisabeth Wunderling. Das Ehepaar bezieht die frei gewordene ehemalige Voigt-Wohnung im 1.OG des Hauses Langer Weg 45.

Die Firma kommt gut durch die Kriegszeit.

 - 1919 -    [nach oben]

Firma Voigt & Co. bewirbt ihre Produkte Lein- und Mohnöl.
[Adr1920, Teil III, S. 53]

Reklamemarken der Voigt & Co. GmbH
Undatierte Reklamemarken: Tafel-Senf und Weinessig.
[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]

 - 1921 - Mitfirmengründer Gilbert Wunderling stirbt.   [nach oben]

Im Alter von 65 Jahren verstirbt Gilbert Wunderling am † 09.04.1921 in Sudenburg und wird auf dem Alten Sudenburger Friedhof beigesetzt. Er war stark zuckerkrank, was ihn schließlich sogar erblinden lie%szlig;. Seine Firmenanteile erbt Ehefrau Anna Wunderling, geb. Böhm (* 21.08.1852, † 12.12.1925 in Sudenburg). Mit den ledigen Töchtern Marianne ("Ninni") und Anna ("Änni") wohnt sie weiterhin im EG des Wohnhauses Langer Weg 45.
Die Firmenleitung verbleibt bei Geschäftsführer Ernst Bethge und den Prokuristen Kurt Haeuber und Otto Thielicke.

Wie Gilbert Wunderling litt auch sein Bruder Gustav Wunderling, ehemaliger Prokurist und "Reisender" der Firma, an der Zuckerkrank und verstarb früh. [Offene Frage: Wann? Daten zu Gustav fehlen!]

 - 1924 - Speiseölherstellung wird eingestellt.   [nach oben]

Letztmalig wirbt die Firma 1924 als "Speiseölfabrik". Nach knapp 16 Jahren ist damit Schluss. Im Laufe des Jahres wird die Produktion von Speiseöl endgültig eingestellt. [Adr1925, Rechnungsblatt 1924]

Briefkopf Voigt & Co. von 1931
Briefkopf ab 1924, nun ohne Hinweis auf die Speiseölfabrikation.
[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]

 - 1925 - Witwe Anna Wunderling verstirbt.   [nach oben]

Am 12.12.2025 verstirbt Anna Wunderling, geb. Böhm (* 21.08.1852) im Alter von 73 Jahren in Sudenburg. Sie wird neben ihrem Mann auf dem Alten Sudenburger Friedhof beigesetzt. Ihre Firmenanteile gehen auf die drei Töchter über. Anna und Marianne Wunderling sowie Elisabeth Bethge mit Ehemann Erich leben weiter im Familienwohnhaus Langer Weg 45.

Bruno Tiedge ist in der modernen Zeit angekommen, er wird nicht mehr als "Kutscher" sondern als "Kraftwagenführer" geführt. Es ist aber Tiedges letztes Jahr, er war 14 Jahre für Firma und Familie tätig. 1926 übernimmt Walter Völcke den Posten, Berufsbezeichnung sowohl "Chauffeur" als auch "Kraftwagenführer". [Adr1926+1927]

 - 1928 - Heirat von Anna Wunderling.   [nach oben]

Gründertochter Anna ("Änni") Wunderling heiratet in Sudenburg den verwidweten Dipl.-Ing. Gustav Mose (Berlin-Steglitz) und verläßt Sudenburg. Wahrscheinlich nach Reichensachsen in Nordhessen, dem Familienwohnsitz der Moses. Die ledige Schwester Marianne ("Ninni") Wunderling bleibt in Sudenburg.

 - 1932 - Das 50. Firmenjubiläum.   [nach oben]


1932_Voigt_Jubilaeumsaufkleber.jpg
Jubiläumssiegelmarke der Voigt & Co. GmbH.
[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]

Voigt_Weinessig_w.jpg
Undatierter Werbeaufkleber Weinessig (vor 1945).
[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]

1932 kehrt auch Witwe und Fabrikmitbesitzerin Klara Voigt nach Sudenburg zurück und zieht wieder ins Wohnhaus Langer Weg 45. Die Wohnaufteilung ist unklar. Neben Klara Voigt wohnen weiterhin Marianne Wunderling und Erich und Elisabeth Bethge im Haus.

 - 1934 - 1941 - Umbrüche   [nach oben]

1934:
- Kurt Haeuber scheidet nach 23 Jahren als Prokurist der Firma Voigt & Co. aus.
- Als einziger Prokurist verbleibt der Kaufmann Otto Thielicke.
- Geschäftsführer ist weiterhin Erich Bethge. [Adr1935]

1936:
- Das Stammkapital der Firma wird von 450.000 Rmk auf 260.000 Rmk reduziert. Der Grund ist unklar.
- Erich Bethge scheidet als Geschäftsführer der Firma aus, wohnt aber weiterhin im Langen Weg 45.
- Der bisherige Prokurist Otto Thielicke wird neuer Geschäftsführer. [Adr1937]

1937:
Die GmbH wird aufgelöst und die Firma als Personengesellschaft weitergeführt. Die neuen Firmendaten lt. Handelsregister:

Voigt & Co., Mostrich-, Essigsprit- u. Weinessigfabrik.,
Langer Weg Nr. 45,
Persönlich haftende Gesellschafter:
- Klara Voigt, Ww., MD-Sudenburg (Schreibweise auch Clara),
- Anna Mose, geb. Wunderling, Reichensachsen,
- Elisabeth Bethge, geb. Wunderling, MD-Sudenburg,
- Marianne Wunderling, Frl., MD-Sudenburg.
Prokurist und Geschäftsführer:
- Otto Thielicke, Magdeburg, Sedanring 45 III. (heute Westring)
[Adr1938]

1939: - Am 01.09.1939 beginnt der 2. Weltkrieg.

1941:
- Herbert Voigt, (Sohn von Hugo und Klara Voigt) wird ebenfalls Persönlich haftender Gesellschafter.
[Adr1942]

 - 1942 -    [nach oben]

Ein neuer, modernerer Briefkopf:

Briefkopf Voigt & Co. von 1942
Briefkopf auf Firmenrechnung von 1942.
[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]
Walter Völcke ist kein "Kraftwagenführer" mehr, sondern wird als "Schlosser" geführt. Er bewohnt weiterhin die alte Kutscherwohnung auf dem Fabrikgelände
[Adr1943]

 - 1945 - Kriegsende   [nach oben]

Mitgesellschafter und Gründersohn Herbert Voigt fällt im II. Weltkrieg. Die Fabrik übersteht die Kriegszeit ohne Schäden.

 - 1946 -    [nach oben]

Witwe Anna Clara Voigt, geb. Horn (* 24.02.1870 in Annaberg/Sachsen) verstirt am 08.03.1946 im Alter von 76 Jahren in Sudenburg, Langer Weg 45.
Da Sohn Herbert gefallen ist, müssten ihre Firmenanteile an die Voigt-Töchter gegangen sein:
- Clara Erna Voigt (* 09.08.1894) und
- Marie Hertha Voigt (* 20.11.1897 in Sudenburg, verbleib unbekannt)
Es ist unbekannt, ob Herbert Voigt verheiratet war. In diesem Fall hätte seine Widwe ebenfalls Ansprüche.

Clara Erna Voigt heiratete im Oktober 1914 den Ingenieur Harald Rudolf Diedrich (*27.01.1880). Die Ehe wurde bereits am 18.02.1918 wieder geschieden. Ob sie erneut heirateten ist unklar. Möglicherweise hatte auch Harald Diedrich Erbanspüche.

 - 1946/47 -    [nach oben]

Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft übernimmt Harald Diedrich die Firmenleitung, der Schwiegersohn der verstorbenen (?) Klara Voigt.
Ob Klara Voigt zum Zeitpunkt der Übernahme noch lebte ist ungeklärt.

 - 1947 -    [nach oben]

Erich Bethge (* 31.01.1879 in Dessau) verstirbt am 10.02.1947 im Alter von 66 Jahren im Kreiskrankenhaus Eschwege, Krs. Eschwege (Hessen). Bestattet wird er in Reichensachsen. Seine Witwe Elisabeth Bethge, geb. Wunderling, ist weiterhin in Sudenburg gemeldet.

 - 1950/51 -    [nach oben]

Magdeburger Adressbuch 1950/51 (letztes veröffentlichtes Magdeburger Adressbuch):

Voigt & Co.
Mostrich-, Essigsprit- u. Weinessigfabrik, Fabrikat. von Senfmehl
Langer Weg 45 (Eigentümer) Ruf 33291

Langer Weg 45:
E. Voigt & Co., Mostrichfabrik
Bethge, Elisabeth, Ww.
Diedrich, Harald, Essigmstr.
8 weitere Mietparteien
Tischlermeister F. Niemann
Lebensmittelgroßhandlung C. W. Vogel

Harald Diedrich wird mit der Berufsbezeichnung "Essigmeister" unter der Firmenadresse geführt.
"Bethge, E. Witwe".
Unter der Fabrikadresse werden auch genannt:
Tischlermeister F. Niemann und die Lebensmittelgroßhandlung C. W. Vogel. [7]
Anmerkung: Tischlerei und Großhandlung werden vermutlich im Südgebäude betrieben.


Offene Fragen:
- Was wurde aus Geschäftsführer Otto Thielicke? Er wird 1950 nicht mehr geführt.
- Die Besitzverhältnisse nach 1950? Gab es vor der Einteignung 1972 eine staatliche Beteiligung am Betrieb?
- Wann requirierte die Russische Besatzung das Wohnhaus und wie lange?



ab 1962
Betriebsgelände:

Anfang der 1960er Jahre wird der nicht mehr benötigte große Fabrikschornstein abgebrochen. [6]

Südgebäude: Große Teile werden inzwischen vom benachbarten VVB Nahrungs- und Genußmittelindustrie, Essenzenfabrik Magdeburg (Nr. 46, bis 1945 Essenzenfabrik Seldte & Co.) genutzt.
Im 1.OG (nördlicher Teil des Gebäudes) befindet sich die Tischlerei Kurt Wilke, die beiden darüberliegenden Etagen werden als Lager für Essigholzfässer genutzt. Oftmals führen geplatzte Fässer zu Schäden in der darunterliegenden Tischlerei. Unter der Tischlerei (im EG) befindet sich der LKW und PKW-Unterstand.

Westgebäude: Zur Produktion von Senf und Essig wird nur das Westgebäude (zur Fichtestraße) genutzt.
Nordflügel: Im 3. OG ist das Rohstofflager für Zucker, Pfeffer, Senfmehr, uvm. untergebracht. Im Geschoss darunter (2.OG) lagern Essigfäser. Im 1. OG wird der Senf produziert. Neun Mühlsteine mit jeweils eigenem Elektromotor kommen hier zum Einsatz. Jeder hat einen eigenen Motor und wird über Keilriemen, Welle und Zahnräder angetrieben. Im Erdgeschoss liegen die Abfüllräume für Essig in Flaschen und Senf in 10 kg Steintöpfe.
Südflügel: ... Essigproduktion (?) ... Im Ergdeschoss befindet sich ein Laborraum.

Kontorgebäude am "Langer Weg": Das Haus ist inzwischen zu Wohnzwecken umgestaltet. Das Erdgeschoss bewohnt der Betriebsleiter mit seiner Familie. Im Obergeschoss sich drei Wohnungen eingerichtet.

Ehemaliges Maschinenhaus: Im Erdgeschoss ist nun die Verwaltung untergebracht. Des weiteren befinden sich die Dusch- und Umkleideräume der männlichen und weiblichen Belegschaft im Gebäude. Im eingeschossigen Gebäude zwischen Verwaltung und Westgebäude werden die Flaschen, Gläser und Steintöpfe gereinigt.

Produktion:

Essig in 2.000 ltr. Fässern wurde an Großabnehmer geliefert. Unter anderem an:
- Firma Rommel, MD-Neustadt (Gurkenverarbeitung).
- Gurkenfabrik in Calbe/Saale.
- Fischfabrik in MD, Große Diesdorfer Straße.
Fässer von 15, 30, 50, 60 und 100 ltr. gingen an die Großhandelsgesellschaft (GHG) Lebensmittel (Am Fuchsberg, MD), die die Weitervermarktung übernahm. Essig und Essigessenz wurden auch in kleine Flaschen abgefüllt und gehandelt.

Die Herstellung von eigenem Senfmehl ist inzwischen eingestellt. Die Firma bezieht russisches, kanadisches und chinesisches Senfmehl von der Ölmühle Kroppenstedt (bei Halberstadt).
Der produzierte Senf in kleinen Abpackungen kommt in den Handel, größere Abpackungen gehen an Gaststätten und die GHG Lebensmittel (Am Fuchsberg). [8]

1972
Bis zum 21.04. behält die Fabrik ihren Namen bei.
Am 24.04.1972 wird sie verstaatlicht und als VEB Essig- und Senffabrik Magdeburg weitergeführt.
Betriebsleiter ist weiterhin Herr Harald Diedrich.
[8, Einträge im SV-Ausweis (Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung)]

Der Betrieb war wahrscheinlich von der in diesem Jahr durchgeführten Verstaatlichungswelle von Betrieben mit staatlicher Beteiligung betroffen. Viele private Besitzer wurden mit psychologischem und wirtschaftlichem Druck zur Unterzeichnung einer Einwilligungserklärung getrieben. Die Besitzerentschädigungen vielen eher gering aus. Im Todesfall wurde den Erben keine neue Betriebsgemehmigung erteilt und die Betriebe so in staatlichen Besitz gebracht.

1990
Nach der Wende kommt für die Fabrik das Aus.
Zuletzt produzierte die Fabrik mit nur 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zwei Millionen Halbliterflaschen Spritessig und vier Millionen Becher Senf. [aus Artikel "Essig- und Senfwerk" der Magdeburger Volksstimme]

Die ehemaligen Fabrikgebäude sind erhalten und wurden nach der Vereinigung unter Denkmalschutz gestellt. Ein Investor gestaltete die Fabrikationsgebäude (2002?) zu Wohnzwecken um. Es entstanden Eigentumswohnungen. Auch das ehemalige Kontorgebäude wird heute als Wohnhaus genutzt. [...]

Quellen:

Die denkmalgeschützten Gebäude heute: (Stand 2015)

Ansicht des Fabrikgeländes vom Langer Weg
Ansicht des Fabrikgeländes vom "Langer Weg".
Das ehemalige Kontorgebäude
Das ehemalige Fabrikantenwohnhaus.
Fabrikgebäude an der nördlichen Grundstücksgrenze
Ehemaliges Kontorgebäude an der nördlichen Grundstücksgrenze.
Rückwärtiges Produktionsgebäude zur Fichtestraße
Rückwärtiges Produktionsgebäude, zur "Fichtestraße".
Später errichtetes Produktionsgebäude an der Südgrenze
Später errichtetes Produktionsgebäude an der Südgrenze.
Ansicht von der Fichtestraße
Ansicht von der "Fichtestraße".

Offene Fragen:

- Besitzverhältnisse bis 1972.
- Eintrag Adressbuch 1939: Witwe E. Voigt, wohnhaft Langer Weg 45.

Familieninfos Voigt:

Gründer: Friedrich Hugo Aßwin Voigt
Ehefrau: Anna Clara Voigt, geb. Horn (* 24.02.1870 in Annaberg/Sachsen, † 08.03.1946 in Sudenburg, Langer Weg 45)
T: Clara Erna Voigt, * 09.08.1894, heiratet Okt. 1914 Ingenieur Harald Rudolf Diedrich (*27.01.1880, Scheidung 18.02.1918)
S: Hugo Friedrich Adolf Voigt (* 15.07.1896 in Sudenburg, † 08.07.1897)
T: Marie Hertha Voigt (* 20.11.1897 in Sudenburg, † ?)

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