Die Chronik von Sudenburg
Die Chronik der frühen jüdischen Siedlung im suburbium Magdeburgs.
Einleitung:
Die starke Förderung des Ausbaus Magdeburgs zum Kirchen- und Handelszentrum durch Otto I. (später Otto der Große) im 10. Jahrhundert führte auch zunehmend jüdische Händler zum Handelsplatz Magdeburg. Der Standort muss für diese überwiegend fahrenden Händler so lukrativ gewesen sein, dass sie sich niederließen. [...]
Während sich die christlichen Händler in Magdeburg ansiedelten, gründeten die jüdische Händler und Kaufleute eine eigene Siedlung außerhalb Magdeburgs, für die ihnen eine Fläche auf kirchlichem Besitz im südlichen suburbium zur Verfügung gestellt wurde. [...]
Aus heutiger Sicht lag diese Siedlung im Gebiet der südlichen Magdeburger Altstadt, etwa zwischen Elbe und Leibnizstraße, Einstein- und Haeckelstraße. [Spanier, S. 7]
Ein eigenständiger Name der Siedlung, möglicherweise hebräisch, ist nicht überliefert. Die offizielle Bezeichnung in Texten und Urkunden lautete immer das Judendorf. Auch das Jahr der Siedlungsgründung ist leider nicht überliefert, erfolgte aber wahrscheinlich bereits im 10. Jahrhundert.
Da den Juden viele Betätigungen und Berufe durch die Mächtigen der damaligen Zeit verboten waren,
blieben ihnen nur wenige Möglichkeiten. Eine Nische, die ihnen blieb, war der Kleinhandel. Der Großteil der Juden
waren fahrende Händler, die von Handelsplatz zu Handelsplatz zogen. Den Sesshaften ermöglichte es nun auch Kredit- und
Geldgeschäfte zu tätigen, die in der christlichen Gesellschaft in dieser Zeit verpönt waren. Durch die
Betätigungsverbote wurden die Juden schon früh ausgegrenzt und eine Integration auch dadurch verhindert, dass
die christliche Gesellschaft ein Zusammenleben mit den andersgläubigen Juden ablehnten.
Die rege und erfolgreiche Tätigkeit der jüdischen Händler trugen einen wohl nicht geringen
Anteil zum Aufstieg Magdeburgs bei. Ein ruhiges Leben, neben der christlichen Gesellschaft, wird ihnen aber nicht lange
vergönnt sein. Zuerst geduldet, werden Vorurteile, Neid, Missgunst, Intoleranz, Schuldzuweisungen und Propaganda in
Erpressungen, Vertreibungen und Pogrome gegen die Bewohner des Judendorfes gipfeln, bis diese 1493 ganz aus ihrer heimatlichen
Siedlung und dem Erzbistum Magdeburg ausgewiesen werden.
Chronik:
- 965 - [nach oben]
09.07.: Otto I. verleiht dem Morizkloster den Königsbann in der Stadt Magdeburg, das Burgwerk der in der
Umgegend ansässigen, die Gerichtsbarkeit über die dortigen Juden und andere Kaufleute und die Wahl des Vogtes.
Diese Urkunde zeigt, dass sich zu diesem Zeitpunkt schon eine große Zahl jüdische Händler dauerhaft in
Magdeburg tätig waren. Die Nennung der Juden vor den sonstigen Händlern lässt auch den Schluss zu, das sie
in dieser Zeit die stärkste Händlergruppe waren.
[Reg1, Nr. 178, S. 70f]
Anm.: Ob sich die Juden bereits fest niedergelassen hatten,
verrät die Urkunde leider nicht.
- 968 - [nach oben]
Das Erzbistum Magdeburg wird gegründet. Die Schenkungen, die das Moritzkloster erhalten hatte, gehen an das Erzstift über.
- 973 - [nach oben]
04.06.: Kaiser Otto II. bestätigt dem Erzstift urkundlich die Schenkungen seines Vaters und unterstellt
"alle dort wohnenden Kaufleute oder Juden und alle dorthin gehörigen Leibeigenen, Colonisten, Knechte oder
Wenden" der Gerichtsbarkeit des Erzbischöflichen Vogtes.
Auch wird mit dieser Urkunde jedem kaiserlichen Beamten die nur dem erzbischöflichen Voigt zustehende Ausübung der
Gerichtsbarkeit untersagen.
[Reg1, Nr. 271, S. 116ff], [Hoff1, S. 46]
Anm.: Auch wenn diese Urkunde das Judendorf nicht speziell
belegt, so ist sie doch ein starkes Indiz für die bereits
erfolgte Ansiedlungen jüdischer Kaufleute.
- 1213 - [nach oben]
Das Judendorf wird im Zuge kriegerischer Handlungen zerstört.
Der Kaiser Otto IV. zog sich den Bann des Papstes zu, der mit den meisten Fürsten den Gegenkaiser Friedrich unterstützte.
Der Magdeburger Erzbischof Albrecht I wurde mehrfach angehalten gegen Otto vorzugehen.
Im Zuge dieses Konfliktes rücken Truppen des Kaisers Otto IV. auf Magdeburg vor. Da Otto für eine Belagerung zu wenig
Truppen hatte, plünderten und brandschatzten seine Truppen alles Erreichbare bis an die Magdeburger Mauern heran.
Zerstört wurde auch das südliche suburbium mit dem darin liegenden Judendorf.
Nach Abzug des feindlichen Heeres wird zeitnah mit dem Wiederaufbau begonnen.
[Rath2, S. 31f], [Richt, S. 33]
- 1261 - [nach oben]
Erzbischof Rubertus (Ruprecht, 1260-1266) lässt aus fadenscheinigen Gründen die reichsten Juden festsetzen, um Lösegeld für seine klammen Kassen zu erpressen. Zusätzlich werden ihre Häuser geplündert und ihre Wertsachen geraubt. [ Hoff1, S. 183]
- 1301 - [nach oben]
Am Mittwoch nach Ostern, fielen die Magdeburger Bürger über das Judendorf her, plünderten es und ermordeten
viele der Bewohner. Eine bei einem Juden dienende christliche Magd hatte ausgesagt, „dass die Juden sich das Bild eines
Gekreuzigten gemacht und Christum in diesem Bilde gleichfalls noch einmal gekreuzigt hätten“.
[Gruhl1, S. 328]
Anm.: Wer den Magdeburger Mob aufgewiegelt hat, ist leider nicht
überliefert. Für diese Tat dürften neben der angeblichen Beleidigung des christlichen Glaubens wohl
hauptsächlich Neid und Missgunst gegenüber den wohlhabenden Andersgläubigen eine Rolle gespielt haben.
- 1312 - [nach oben]
20.11.: Erstmals wird der jüdische Friedhof urkundlich bezeugt.
Erzbischof Burchard verkauft zur Tilgung seiner Schulden vier diesseits (Anm.:
nördlich) des Judenfriedhofs (“Judenkevers“) gelegene Ackerstücke, die das
Kloster Berge ihm überlassen hatte, den Juden von Magdeburg, die in der Sudenburg wohnten.
[UBM1, Nr. 258, S. 141]
Anm.: Der Jüdische Friedhof wird hiermit erstmals urkundlich
bezeugt. Er lag hinter dem zum Kloster Berge gehörenden Dorf Buckau an der Elbe, vor der damaligen Mündung der
Sülze. In der jüdischen Begräbniskultur war es nicht unüblich, die Friedhöfe in größerer
Entfernung zur Siedlung anzulegen. Mit diesem erworbenen Land wurde der bereits vorhandene Friedhof erweitert. Der älteste
später auf dem Gelände gefundene Grabstein trägt die Jahreszahl 1261, der Friedhof dürfte aber noch
älter sein. Vier aufgefundene Grabsteine sind noch erhalten und befinden sich auf dem heutigen jüdischen Friedhof am
Fermersleber Weg.
- 1328 - [nach oben]
In der Urkunde erwähnt: "...Judendorfe...". Prüfen und ggf. Nachtragen!
[UBM1, Nr. 330, S. 197]
- 1349 - [nach oben]
Die 1348 in Florenz ausgebrochene Pest erreicht auch Magdeburg. Für die Seuche machte man die Juden
verantwortlich. Sie sollen die Seuche angeblich durch Vergiftung von Quellen und Brunnen, sowie durch andere böse Mittel
hervorgerufen haben. Der „fanatische Pöbel“ fiel über das Judendorf her, plünderte es und steckten
Häuser in Brandt, wobei auch Bewohner im Feuer umkamen.
[Hoff1, S. 256]
- 1357 - [nach oben]
Erneut bricht die Pest aus. Wieder wurden die Juden dafür verantwortlich gemacht und verfolgt.
[Hoff1, S. 260]
- 1363 - [nach oben]
Engste Berater des Erzbischofs Dietrich sind Nicolaus von Bismarck und ein Jude Namens Schmul (Smoll).
[GBl3, S. 78]
- 1372 - [nach oben]
21.04.: Erzbischof Peter stellt die Bewohner des Judendorfes für drei Jahre unter seinen
Schutz und gesteht ihnen zu, „dass sie nur vor ihrer Schule gerichtet werden sollen“, also nach
den jüdischen Gesetzen.
[Wüst, S. 208]
Als Gegenleistung sind 50 Mark Brandenburgisches Silber pro Jahr zu zahlen.
[UBM1, S. 329]
- 1383 - [nach oben]
10.02.: Das Kloster Berge verkauft den Juden Wessele Gaddzin, Ganowe synem sanen, groten Jacobe, Mosszen synam
schwager, Ganowkoyn lutken Gaddzym, Meygeken Montgay van Stasforde, Davite van Goslere synem schwager, Tonidza Ysaak
sangmeister und Abraham synem sohn, Ysaac van Angermuende, Gaddzim van Lowborch, Mosseke van Calve und Keven van Borch und
der ganzen Judenschaft 2 Morgen Landes diesseits des Judenkevens für 40 Mark.
[UBM1, S. 365f]
Anm.: Zur erneuten Erweiterung des Judenfriedhofs.
- 1384 - [nach oben]
Einige Juden, die sich unter zugesichertem sicherem Geleit auf dem Rückweg von einem Fest in Weißenfels befanden, wurden von räuberischen Edelleuten des Erzstifts überfallen, misshandelt und ausgeraubt. Ihre Klagen wegen der Verletzung des ihnen zugesicherten Schutzes wurden verlacht und ihnen gesagt, dass sie als Feinde der Kirche nicht unter das Gesetz fallen. [Hoff1, Seite 298f]
Die Magdeburger überfallen erneut das Judendorf, plünderten es und verjagten die
Einwohner. Wieder legte man den Juden eine „große Sterblichkeit“ in Magdeburg zur Last.
Im folgenden Jahr kamen die vertriebenen Einwohner zurück. Für die Erlaubnis das Judendorf wieder
bewohnen zu dürfen, mussten sie dem Erzbischof 1000 und der Stadt Magdeburg 500 Mark Silbers bezahlen.
[Gruhl6, S. 466]
- 1385 - [nach oben]
25.07.: Nach der Rückkehr der jüdischen Bevölkerung bestätigt ihnen Erzbischof
Albrecht IV. urkundlich den 1383 erfolgten Verkauf der "diesseits des Judenkevens belegene" zwei
Morgen Land seitens des Klosters Berge.
[UBM1, S. 390]
Anm: Siehe 10.02.1383.
- 1388 - [nach oben]
23.01.: Erzbischof Albrecht bekennt, dass er dem Juden Wessel und seiner Familie 156 Mark schuldig ist und
ihm dafür Geleite und Zoll in Gross-Salze versetzt habe.
[UBM1, S. 407]
Anm: Ob Wessel Bewohner des Judendorfes war, geht aus der Quelle leider nicht hervor.
- 1392 - [nach oben]
30.11.: Erzbischof Albrecht nimmt die Juden zu Magdeburg auf 5 Jahre in seinen Schutz. [UBM1, S. 439]
- 1399 - [nach oben]
24.06.: Erzbischof Albrecht nimmt die Juden in seinem Judendorf in der Sudenburg für 5 Jahre in seinen Schutz und sagt ihnen für interne Belange eigene Gerichtsbarkeit zu. Die Jüdische Gemeinde zahlt dafür jährlich 40 Mark Magdeburgischer Währung. [UBM1, S. 464ff]
- 1405 - [nach oben]
21.09.: Erzbischof Günther nimmt die Juden im Judendorfe auf fünf Jahre in seinen Schutz. [UBM2, S. 14]
- 1410 - [nach oben]
17.01.: Erzbischof Günther stellt den Juden von Magdeburg einen Schutzbrief aus. Ähnlich dem des Erzbischofs Albrecht von 1399. [UBM2, S. 36]
- 1432 - [nach oben]
02.04.: Erzbischof Günther beschuldigt den Rat von Magdeburg, dass er sich des Judendorfes und der Juden in der Sudenburg und des Dorfes St. Michael bemächtigt habe. [Wüst, S. 261]
07.05.: Der Rat von Magdeburg erklärt, dass er sich des Judendorfes und des Dorfes St. Michael bemächtigt habe, um seinen Schaden zu ersetzen. [Wüst, S. 261]
- 1433 - [nach oben]
05.11.: In den Verhandlungen über die Beilegung ihres Streites fordert die Stadt Magdeburg vom Erzbischof Günther als Schadensersatz die Verschreibung einer Summe Geldes an der Sudenburg, dem Judendorf, dem Flecken St. Michael und dem Judenfriedhof. [Wüst, S. 261]
- 1434 - [nach oben]
10.04. Basel: Kaiser Sigismund bedroht die Stadt Madgeburg mit der Acht und einer Strafe von 1000 Goldgulden, wenn sie sich nicht binnen 30 Tagen mit dem Erzbischof Günter verträgt und den auf erzbischöflichem Gebiet vor dem Möllenhof errichteten Bau niederreißt. [UBM2, S. 405]
- 1434 - [nach oben]
27.11.: Die Neustadt, Sudenburg, das Judendorf und der Flecken St. Michael werden zum Eigentum des Erzstifts erklärt. [Wüst, S. 209]
08.12.Basel: Das Konzil zu Basel beauftragt eine Kommission von drei Geistlichen, den gegen die Stadt Magdeburg von dem vom Konzil eingesetzten Richter gefällten Urteilsspruch, wonach sie alle auf erzbischöflichem Terrain erbauten Gebäude und Festungswerke beseitigen, die Vorstädte wieder freigeben und die Kosten des Prozesses bezahlen soll, auszuführen und die Magdeburger zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten. [UBM2, S. 447]
- 1435 - [nach oben]
03.05.: Die Schiedsleute zwischen Erzbischof Günther und den Städten Magdeburg und Halle
geloben, das diese von Bann und Acht bis zum Tage S. Jacobi gelöst werden sollen.
Fürst Bernhard von Anhalt, Bernhard von der Assenburg und die Räte der Städte Magdeburg und Halle
geloben, nach der Lösung vom Bann und der Acht dem Erzbischof und der Geistlichkeit alle Güter zurückgeben
zu wollen.
[UBM2, S. 481]
03.05.: Der Rat der Stadt Magdeburg verspricht, den von den beiderseitigen Schiedsleuten geschlossenen Vertrag mit dem Erzbischof Günther zu halten. [UBM2, S. 482]
04.05.: Die beiderseitigen Schiedsleute entscheiden den Streit zwischen Erzbischof Günther und der Stadt Magdeburg. [UBM2, S. 483]
12.08. Brünn: Kaiser Sigismund spricht die Stadt Magdeburg von der Acht frei, mit welcher sie wegen der Beleidigungen des Erzbischofs Günther belegt war, und verbietet fortan jede Belästigung derselben wegen dieser Vorgänge. [????]
- 1442 - [nach oben]
18.08.Mainz: König Friedrich bevollmächtigt den Kurfürsten Friedrich von Sachsen, den Ritter Leonhard Velseker und Heinrich Herwort, von den Juden in Sachsen, Thüringen, Meissen, Brandenburg etc. zu Merseburg, Magdeburg, Halle etc. den dritten Pfennig als Steuer ihrer Habe zu erheben und darüber zu quittieren. [UBM2, S. 568]
- 1446 - [nach oben]
18.02. Calbe: Erzbischof Friedrich erneuert den Juden im Judendorfe und der Sudenburg das ihnen vom Erzbischof Günther 1410 gegebene Privilegium. [UBM2, S. 591] Anm.: Stadtrechte??? Unklar.
- 1466 - [nach oben]
08.05.Calbe: Erzbischof Johann nimmt die Juden im Judendorf in der Sudenburg und in den anderen Städten des Erzstifts auf 6 Jahre in seinen Schutz und bestimmt ihre Rechte für diese Zeit. Sie erhalten weiterhin ihre eigene eingeschränkte Gerichtsbarkeit. Dafür müssen ihm 100 rheinische Gulden jährlich gezahlt werden. [UBM3, S. 15f]
- 1469 - [nach oben]
05.09.Calbe: Erzbischof Johann erneuert in einer Urkunde die Stadtrechte der Sudenburg
und präzisiert Rechte und Pflichten.
Gültig für alle drei Sudenburger Räte: Sudenburg, St.Michael und Judendorf.
[UBM3, S. 50ff]
Anm.: Wohl als Reaktion auf die Anfrage der Rates von Sudenburg vom 04.01.1469.
Urkundentext: 1469-Stadtrecht.doc
- 1481 - [nach oben]
16.07., Magdeburg: Erzbischof Ernst bestätigt die Schenkung einer wüsten Stätte mit einem kleinen
steinernen Haus im Judendorf in der Sudenburg, am Tor zu Kloster Berge gelegen, seitens des Domherrn Heinrich Hiltermann zur
Errichtung eines Hospitals und gibt dem Hospital seine Privilegien.
[UBM3, S. 200ff], [Wüst, S. 209]
- 1481 - [nach oben]
Der Domherr Dr. juris. Hiltermann stiftete das Hospital 1480. Es lag nach einer von Walther beigebrachten Stiftungsurkunge
„in der Sudenburg an dem Thore nach dem Kloster St. Johannis des Täufers wärts“.
[Bock, S. 111]
St. Elisabeth und Gertraud, worin täglich 37 alte Personen gespeist wurden.
[UBM3, S. 200ff], [Gruhl10, S. 343]
- 1483 - [nach oben]
14.10.Calbe: Erzbischof Ernst nimmt Meyger, den Juden von Stassfurt, auf 6 Jahre in seinen Schutz und gestattet ihm im Judendorf in der Sudenburg zu wohnen, wofür dieser jährlich 2 Gulden Schutzgeld zu zahlen hat. [????]
- 1492 - [nach oben]
19.05.Abraham und Kanolt, Vorsteher der Juden im Judendorf, schreiben an Erzbischof Ernst wegen
des Streitfalles mit den Barfüssern.
[UBM3, S. 450f]
Urkundentext: 1492_05_19_Judenstreit_1.doc
25.05.Bericht des Möllenvogts Hans Reynhart über den Judenkrawall und die Verhandlungen
deswegen mit dem Rate der Stadt.
[UBM3, S. 451ff]
Urkundentext: 1492_05_25_Judenstreit_2.doc
03.06.Der Möllenvogts Hans Reynhart schreibt an den Erzbischof Ernst über die Beleidigung
eines Barfüssers durch zwei Juden.
[UBM3, S. 451ff]
Urkundentext: 1492_06_03_Judenstreit_3.doc
- 1493 - [nach oben]
Der Magdeburger Erzbischof Ernst verfügt die Vertreibung der Juden aus dem Judendorf und dem ganzen
Erzbistum Magdeburg.
Die Synagoge wurde in eine Marienkapelle umgewandelt und das „Mariendorf“ mit der Sudenburg
vereinigt. „Von dem zerstörten Gottesacker der Juden liegen noch heute in einzelnen Straßen
Magdeburgs die hebräischen Leichensteine zerstreut an den Ecken.“
[Richt, S. 65]
Es wird von 150-200 vertriebenen Personen ausgegangen.
[Freitag, S. 47]
„Sein eifrig kirchlicher Sinn zeigte sich auch in der Vertreibung der Juden aus dem vor den Mauern
Magdeburgs gelegenen Judendorfe (1493), doch gestattete er ihnen, ihre fahrende Habe mitzunehmen; auch erhielten sie den Erlös
aus dem Verkaufe ihrer Grundstücke, welche der Rath der Sudenburg auf erzbischöflichen Befehl erwerben mußte;
das ehemalige Judendorf erhielt seitdem den Namen Mariendorf.“
[Janicke, S. 291ff], [2]
"...veranlasste Ernst, Erzbischof von Magdeburg, die Vertreibung der Juden. Viele Klagen der Magdeburger brachten ihn gegen die Juden
auf. Die Dorfbevölkerung bestand aus über 1400 Personen, die aus dem Gebiet des Erzstifts verwiesen wurden. Die
jüdischen Bewohner durften aber ihre bewegliche Habe mitnehmen und wurden auch für ihre Grundstücke entschädigt,
die der Rat von Sudenburg den Besitzern auf Befehl des Erzbischofs abkaufen musste. Die Synagoge wurde in eine Marienkapelle
umgewandelt, die Siedlung in Mariendorf umbenannt und der Landstadt Sudenburg zugeschlagen. Nach der Vertreibung wurde der Friedhof
zunächst Sudenburg zugesprochen, später das Gelände mit dem Kloster Berge aufgeteilt, zerstört und in einen Acker
umgewandelt. Die Grabsteine mit hebräischer Schrift wurden verwendet, um Straßen und Häuser zu bauen."
[Janicke, S. 291ff], [Hoff1, S. 441]
28.05.Antwort des Bischofs Tilo von Merseburg an Erzbischof Ernst über die Vertreibung der Juden.
[UBM3, S. 467f]
Urkundentext: 1493_05_28_Judenstreit_5.doc
...Quittierung des Verkaufs...
Quellen:
- [Bock] - Adolf Bock, "Das Armenwesen, die milden Stiftungen und sonstigen Wohlthätigkeitsanstalten zu Magdeburg", L. Schäfer (A. Rüdiger), 1860
- [GBl3] - Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg, Band 3, 1869
- [Gruhl1] - Gruhl, "Chronik der Stadt Magdeburg", Ausgabe 1-5, Gruhl'sche Buchdruckerei, 1831
- [Gruhl6] - Gruhl, "Chronik der Stadt Magdeburg", Ausgabe 6-9, Gruhl'sche Buchdruckerei, 1831
- [Gruhl10] - Gruhl, "Chronik der Stadt Magdeburg", Ausgaben 10-13, Gruhl'sche Buchdruckerei, 1831
- [Hoff1] - Friedrich Wilhelm Hoffmann, Geschichte der Stadt Magdeburg: nach den Quellen bearbeitet, Band 1, Baensch, 1845
- [Janicke] - Karl Janicke, „Ernst, Erzbischof von Magdeburg“ in: Allgemeine Deutsche Biographie, Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6, 1877, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, S. 291ff
- [Freitag] - Werner Freitag, Historische Kommission für Sachsen-Anhalt, Menschen im späten Mittelalter, Böhlau Verlag Köln Weimar, 01.09.2002,
- [Rath2] - Heinrich Rathmann, "Geschichte der Stadt Magdeburg von ihrer ersten Entstehung an bis auf gegenwärtige Zeiten", Band 2, Creutz, 1801,
- [Reg1] - George Adalbert v. Mülverstedt, "Regesta Archiepiscopatus Magdeburgensis Bd. 1." Sammlung von Auszüen aus Urkunden und Annalisten zur Geschichte des Erzstifts und Herzogthums Magdeburg. Erster Theil. Bis zum Tode des Erzbischofs Wichmann (1192). Baensch, 1886
- [Richt] - Dr. Friedrich "Richter's von Magdeburg kurzgefasste Geschichte der Stadt Magdeburg", Verlag der Richterschen Buchdruckerei, 1834
- [Spanier] - Spanier, Moritz: "Geschichte der Juden in Magdeburg", Sperling Magdeburg, 1923, Onlineausgabe: Univ. Bibliothek Frankfurt am Main, 2009
- [UBM1] - Gustav Hertel, Historische Kommission der Provinz Sachsen, "Urkundenbuch der Stadt Magdeburg, Band 1" (805-1408), Otto Hendel, 1892
- [UBM2] - Gustav Hertel, Historische Kommission der Provinz Sachsen, "Urkundenbuch der Stadt Magdeburg, Band 2" (1408-1464), Otto Hendel, 1894
- [UBM3] - Gustav Hertel, Historische Kommission der Provinz Sachsen, "Urkundenbuch der Stadt Magdeburg, Band 3" (1465-1513), Otto Hendel, 1896
- [Wüst] - Gustav Hertel, Historische Kommission der Provinz Sachsen, "Wüstungen in Nordthüringgau", Otto Hendel, 1899,
Fundstellen:
Verfolgung und Vertreibung während der Kreuzzüge, Rückkehr... <--- Schulprojekt
„Die ersten Juden siedelten sich im Jahre 957 in Magdeburg an. 1012 existierte bereits eine
größere Judengemeinde in Magdeburg. Während der Zeit des ersten Kreuzzuges Ende des 11. Jahrhunderts
wurden die Juden auch in Magdeburg verfolgt und ermordet.
1146 kehrten die Überlebenden zurück; 1215 führte Kaiser Otto IV. einen Krieg gegen
Magdeburg und den Erzbischof Albrecht II., wobei das Judendorf geplündert und zerstört wurde. Später wurde es auf
Kosten der Juden wiederaufgebaut. 1261 wurde das Judendorf ein zweites Mal ausgeplündert und zerstört, weil Erzbischof
Ruprecht die leere Staatskasse auffüllen wollte. Die Schuld an einer hohen Sterblichkeitsrate im Jahre 1384 schob man den
Juden zu, was Verfolgung und Unterdrückung mit sich brachte.
1492 mußten alle Juden Magdeburg verlassen; der Grund dafür waren erneute "Judenkrawalle". Das ehemalige Judendorf
wurde nun "Mariendorf" genannt, auch die Synagoge hieß von nun an "Marienkapelle". Die Judenansiedlung war offiziell
verboten. … 1807 bekamen jüdische Mitmenschen die allgemeinen Bürgerrechte
zuerkannt. Sie konnten sich ungehindert niederlassen und ihre Religion frei ausleben.“
aktualisiert: 11.09.2015
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