Die Chronik von Sudenburg

1631 - 1812

Bearbeitungsstand: 02.09.2015

Juristischer Kampf um das Existenzrecht, Wiederaufbau und erneute (4.) Zerstörung während der französischen Besatzungszeit.

 - 1631 -   [nach oben]

31.06: Fünf Wochen nach dem Fall Magdeburgs zieht Tilly mit den kaiserlichen Truppen ab. In der verwüsteten Stadt wird eine Besatzung von 5.250 Mann zurückgelassen, die unter dem Befehl des Kommandanten Graf von Mansfeld stehen. [Beitr1, S. 280f]


Da sich die Kaiserlichen Truppen bei der Belagerung Magdeburgs der nur unzureichend zerstörten Vorstädte als Deckung bedienen konnten, lässt von Mansfeld alle Trümmer der Sudenburg und Neustadt im Schussbereich entfernen, um bei der absehbaren Belagerung den Schweden keinen Vorteil zu verschaffen. Im Zuge dieser Maßnahme wird auch die größtenteils noch intakte Sudenburger Stadtmauer abgebrochen. [Beitr1, S. 283f]


Der Katholik Leopold Wilhelm, Erzherzog von Österreich, wird Administrator (1631-1635) des Erzstifts. Er tritt die Nachfolge des vom Domkapitel abgesetzten Christian Wilhelm von Brandenburg an, der bei der Erstürmung Magdeburgs schwer verletzt und von den Truppen Pappenheims gefangen genommen wurde.
Anm.: 1632 tritt Christian Wilhelm von Brandenburg zum katholischen Glauben über und wird auf freien Fuß gesetzt. [Wikipedia]


Um den 10.11. rücken schwedische Truppen unter General Baner auf Magdeburg vor und beginnen eine Blockade der zerstörten Stadt. Zu ernsten Kampfhandlungen kommt es nicht.
Ende Dezember beginnt Graf von Mansfeld überraschend Übergabeverhandlungen mit den Schweden. [Beitr1, S. 284f]

 - 1632 -   [nach oben]

Die Verhandlungen werden abgebrochen, als bekannt wird, dass Pappenheim mit einer Streitmacht zum Entsatz auf die Stadt zieht.


01.01. (11.01.): Die Schweden geben die Blockade Magdeburgs auf und ziehen sich hinter die Saale zurück.
[Beitr1, S. 304] Anm.: Die Truppenstärke von Pappenheims Heer wurde von den Schweden viel höher vermutet, als sie letztendlich wirklich war. Pappenheim hatte mit List und Propaganda das Gerücht verbreiten lassen, er führe ein Heer von 20.000 Mann an. In Wirklichkeit waren es wohl nur an die 4.000 Mann.


04.01. (14.01.): Pappenheims Truppen erreichen Magdeburg und ziehen in die Stadt ein. Allerdings nicht als Verstärkung, sondern mit dem Auftrag Tillys und des Kaisers, die Stadt und Festungsanlagen endgültig zu schleifen und die kaiserlichen Truppen fortzuführen. Viele der verschont gebliebenen Häuser und Kirchen werden angezündet oder gesprengt, ebenso werden die neu errichteten Elbbrücken zerstört.  Auch umliegende Dörfer werden brutal überfallen, geplündert und zerstört. [Beitr1, S. 315]


08.01. (18.01.): Die Kaiserlichen ziehen um 9:00 Uhr aus der nun fast völlig zerstörten Stadt ab, mitsamt der erplünderten Beute. Als sie etwa eine Meile von der Stadt entfernt sind, zünden verlegte Sprengladungen und legen die Magdeburger Stadtbefestigung in Schutt und Asche.
Die im Dom gelegten Sprengladungen zünden zum Glück nicht und das im Dachstuhl gelegte Feuer erlischt schnell wieder. Ob der Magdeburger Dom durch Zufall oder "gezielte Schlampigkeit" der Zerstörung entging, lässt sich heute nicht mehr klären. [Beitr1, S. 322f]


11.01. (21.01.): Die Schweden besetzen Magdeburg mit drei Regimentern und beginnen mit der Instandsetzung der Befestigungsanlagen. [Beitr1, S. 324]


22.02.: Der schwedische "Commissarius" Christoph Schulze erlässt einen Meldebefehl an die bereits zurückgekehrten oder gebliebenen Einwohner. Es melden sich:

- Altstadt Magdeburg: 357 Personen, davon 239 Männer, 117 Witwen und eine unverheiratete Bürgerstochter.
- Sudenburg und St. Michael ("Michaelische"): zusammen 22 Personen: 15 Männer und 7 Witwen.
- Neustadt: 70 Personen, davon 39 Männer und 30 Witwen.

Insgesamt melden sich 449 Personen (Familienoberhäupter).
Inklusive der Familienmitglieder wird von einer Einwohnerzahl von ca. 1.000 Personen ausgegangen. [Gbl11, S.234] Anm.: Viele geflüchtete oder verschleppte Bürger waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht in die Stadt zurückgekehrt, oder abgewandert.

 - 1635 -   [nach oben]

Kursächsische (kaiserliche) Truppen rücken auf Magdeburg und beginnen eine erneute Belagerung der Stadt. [...]


Der protestantische Herzog August von Sachsen-Weißenfels wird (letzter) Administrator (1635-1680) des Erzstifts Magdeburg. [...]

 - 1636 -   [nach oben]

05.07.: Die schwedischen Truppen kapitulieren und ziehen aus Magdeburg ab. Eine ca. 1200 Mann starke kursächsische Garnison zieht in die Stadt ein. Die wenigen Bewohner in den unzerstörten oder bereits neu erbauten Häusern der Altstadt werden mit der Last von Einquartierungen belegt. [...]

 - 1642 -   [nach oben]

Anmerkungen des Möllenvogts Barthold Struve, auf einer Liste der Hausbesitzer Sudenburgs, zeigen, dass inzwischen viele der überlebenden Sudenburger abgewandert waren. Einige hatten sich in der Altstadt oder der nördlichen Neustadt angesiedelt, andere waren in andere Regionen abgewandert, wo sie sich neu ansiedelten oder bei Verwandten unterkommen konnten.
Einige überlebende Sudenburger hatten sich notdürftig in ihrer zerstörten Stadt eingerichtet. Sie zogen in noch intakte Keller zerstörter Häuser, oder errichten sich einfache Hütten.
Zu den überlebenden Sudenburgern zählen auch drei Ratsmitglieder:
Bürgermeister Heinrich Engelbrecht, Kämmerer Johann-Wilhelm Reinobel und Stadtrat Hans-Jacob Geiger.
In der Folgezeit werden Wiederaufbauversuche Sudenburger Häuser durch die Magdeburger aktiv verhindert. Den Bauherren werden die Baumaterialien abgenommen oder die Baustellen werden zerstört. Immer mehr Aufbauwillige resignieren und wandern ab, da sie für sich in Sudenburg keine Zukunft mehr sehen. Nur ganz wenige harren weiter aus. Einer von ihnen nannte sein Häuschen in der ehemaligen Siechenstraße sogar provokativ "Trutz Magdeburg", als Reaktion auf das feindselige Verhalten der Altstädter. [Radem], [Gründ, S. 24f]

 - 1643 -   [nach oben]

Erneut ziehen schwedische Truppen vor Magdeburg und beginnen eine Blockade. [...]

 - 1646 -   [nach oben]

In einem schriftlichen Vertrag verpflichtet sich der Rat von Magdeburg, nach Aufhebung der schwedischen Blockade und Abzug der kursächsischen Truppen, dem kursächsischen Administrator Herzog August von Sachsen-Weißenfels zu huldigen.
Die Schweden beenden die Blockade und ziehen ab. Vier Tage später verlassen auch die kursächsischen Truppen Magdeburg.
Bürgermeister Otto Gericke reist als Vertreter Magdeburgs zu den Friedensverhandlungen nach Osnabrück. [...]

 - 1647 -   [nach oben]

04.06.: In einer Vereinbarung zwischen dem kursächsischen Administrator und der Altstadt Magdeburg wird festgelegt, dass alles innerhalb einer viertel Meile (einschließlich der 1628 von Kaiser Ferdinand zugestandenen 77 Ruten) um die Festungsbauwerke gelegene Eigentum des Erzstifts den Stiften und Klöstern der Altstadt zufällt. Mit dieser Vereinbarung gelingt es der Stadt Magdeburg, einen Großteil des Sudenburger Siedlungsgebietes unter ihren Einfluss zu bringen. Ein schwerer Rückschlag für die Wiederaufbaupläne der Sudenburger. [...]

 - 1648 -   [nach oben]

Mit der Unterzeichnung des „Westfälischen Friedens“ durch die deutschen Stände, Frankreich und Schweden, endet der Dreißigjährige Krieg.
Gemäß den Osnabrücker Verträgen kommt das Erzstift Magdeburg vorerst unter die Hoheit des Kurfürstentums Sachsen. Regiert wird das Erzstift vom Administrator Herzog August von Sachsen-Weißenfels, aus dessen Residenzstadt Halle. Nach Ableben des Administrators soll das Erzstift säkularisiert an das Kurfürstentum Brandenburg gehen.
Das noch immer wüst liegende Sudenburg ist nun Teil von Kursachsen. [...]

 - 1649 -   [nach oben]

Die Vertreter der Altstadt versucht während der Verhandlungen, mit aller Macht den Wiederaufbau der Vorstädte zu verhindern. In einem am 21.08. auf dem Reichstag zu Nürnberg übergebenen Schreiben, versuchte sie mit falschen Angaben, die Neustadt und Sudenburg als ihre Vorstädte darzustellen und nicht als das was sie waren: Erzbischöfliche Landstädte mit eigenem Stadtrecht. Die Altstädter behaupten, die Vorstadtbereiche wären schon immer ihr Eigentum gewesen, in dem Gärten und Katen und einfache Strohhütten der Magdeburger gelegen hätten. Otto Gericke, der sich nach seiner Adelung 1666 Otto von Guericke nannte, vertrat aktiv die Magdeburger Lügengeschichte, was in der politischen Leistung des berühmten Magdeburgers tiefe Kratzer hinterlässt.
Die Altstadt konnte mit ihrem dreisten Vorstoß den Reichstag blenden und ein Wiederaufbauverbot der beiden Vorstädte Sudenburg und Neustadt erreichen. Für die Sudenburger, 18 Jahre waren seit der Zerstörung der Stadt inzwischen vergangen, ein niederschmetterndes Ergebnis. Den Kampf um ihr Recht geben sie aber nicht auf. [...]

 - 1650 -   [nach oben]

Das Festungsrecht der Altstadt Magdeburg wird bestätigt, das auf ¼ Meile um die Stadt festgelegt ist. [Gründ, S. 80f] Anm.: Ein Neuaufbau Sudenburgs in seinem alten Grenzen ist nun ausgeschlossen, da Magdeburg hierdurch einen großen Teil des Sudenburger Stadtgebiets zugesprochen bekommt.

 - 1653 -   [nach oben]

In Buchform erscheint zum Reichstag 1653/54 in Regensburg die Gegenrede der Vorstädte Sudenburg und Neustadt, die weiterhin gegen die Altstadt um ihr Existenzrecht kämpfen:
"Gründliche Anzeige, was es mit den beeden Ertzstifftischen Magdeburgischen Landtstadten Neustadt und Sudenburg-Magdeburg vor eine Beschaffenheit, welche ihre Nachbarin, die alte Stadt Magdeburg augetilget, abgerissen und nicht auffgebauet haben will"
Darin wird die Entwicklungsgeschichte der beiden Vorstädte beschrieben und mit Abschriften der Stadtrechtsurkunden und Privilegienbriefe ergänzt.
Anm.: Der Begleitbrief an den Reichstag, unterzeichnet von den Bürgermeistern und Räten der Neustadt und Sudenburgs, trägt das Datum 15. September 1653.

 - 1654 -   [nach oben]

Auch das Erzstift Magdeburg reicht eine Streitschrift gegen die Stadt Magdeburg ein:
"Informatio Summaria Facti Et Iuris Des Primat und Ertzstiffts Magdeburg Contra Die Alte Stadt Magdeburg/ und das jenige/ damit sie bey itzigem Reichstage ihre ungegründete Sache bescheinigen wollen"
Sie bestätigt und stützt die Angaben der Vorstadtstreitschrift von 1653 und prangert die unwahren Angaben der Altstadt Magdeburg an.


16.05.: Der Reichstag bestätigt das Wiederaufbaurecht der Vorstädte.
23 Jahre nach ihrer Zerstörung wird auf dem Reichstag von Regensburg den Landstädten Neustadt und Sudenburg das Recht auf Wiederaufbau bestätigt, mit der Einschränkung, dass die Befestigung der Altstadt nicht darunter leidet. [...]
Letztendlich scheitert Magdeburg mit seinen Bemühungen, die Wiedererrichtung der Vorstädte zu verhindern, bekommt aber einen umlaufenden Landstreifen von 1/4 Meile für neue Stadtbefestigungen zugesprochen.


Die Neuerrichtung der Neustadt geht schnell voran. Bereits 1654 wird der Wiederaufbau der 1631 zerstörten Nikolaikirche in der Neustadt abgeschlossen und die Kirche geweiht.
Der Streit um die Sudenburg wird trotz des festgeschriebenen Wiederaufbaurechts von den Magdeburgern fortgesetzt. [...]

 - 1666 -   [nach oben]

28.05.: Das Wiederaufbaurecht der Sudenburg wird erneut bestätigt und festgeschrieben.
Die zähen, sich über Jahre hinziehenden Verhandlungen um den Wiederaufbau kommen mit dem Klosterbergischen Vergleich zu einem Ende. 35 Jahre nach der Zerstörung hat man sich nun zwar geeinigt, zu einem Wiederaufbau kommt es aber mangels Volk trotzdem nicht. Fast alle Sudenburger Familien sind inzwischen abgewandert. [...]

 - 1668 -   [nach oben]

April: Ein von den Magdeburgern erstelltes Verzeichnis der aktuellen Bewohner auf der Trümmerfläche von Sudenburg und St. Michael zeichnet 37 Jahre nach der Zerstörung ein sehr düsteres Bild. Über das ganze Areal verteilt waren vorhanden / bewohnt:

- fünf bewohnte "Häuslein" mit Gärten.
- neun "Hüttlein" mit Gärten, von denen eine Hütte mit Garten unbewohnt war.
- eine bewohnte Gartenlaube (des Domdekans).
- sieben bewohnte, massive Keller, die die Zerstörung von 1631 überstanden hatten.

Insgesamt wohnten in der zerstörten Stadt nur noch etwa 40-50 Personen. Von den Familienvätern ging niemand mehr seinem erlernten Beruf nach. Man bestellte die Gärten zum Eigenbedarf und versuchte sich mit Gelegenheitsarbeiten über die Runden zu bringen, was mehr schlecht als recht gelang. [Radem]
Anm.: Es ist davon auszugehen, dass die Einwohnerzahl in den folgenden Jahren weiter abnahm, da sich die Verhältnisse nicht besserten. Bis zu einem planmäßigen Wiederaufbau, von außen durch Ansiedelungen angestoßen, werden noch gut 17 weitere Jahre vergehen. Von den alten Sudenburger Familien wird zu diesem Zeitpunkt keine einzige mehr anwesend sein.

 - 1680 -   [nach oben]

04.06.: Mit dem Tod des Administrators August von Sachsen fällt das Erzbistum Magdeburg (säkularisiert) als Herzogtum Magdeburg  an das Kurfürstentum Brandenburg. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (der "große Kurfürst"), nun auch Administrator und Herzog von Magdeburg, nahm am 30.05.1681 auf dem „Alten Markt“ persönlich die Huldigung der Magdeburger an.
Nach knapp 712 Jahren ist Magdeburg nun kein Erzstift mehr und die kirchliche Hoheit weicht einer weltlichen.

Sudenburg und der Flecken St. Michael lagen zu diesem Zeitpunkt weiterhin nahezu wüst. [...]

 - 1683 -   [nach oben]

Für den Flecken St. Michael wird festgestellt: "In dem dem Amte der Möllenvogtei zustehenden Flecken St. Michael geben 39 Hauswirte den Besitz an. In dem Orte war keine Kirche, auch kein Prediger. Die Bewohner gingen in den Dom zu Magdeburg und kommunicierten auch allda. (Steuerprofessions-Protok.)" [Wüst, S. 262]
Anm.: Hierbei dürfte es sich um eine Bestandsaufnahme der neuen Regierung handeln. Zahlen für Sudenburg enthält das Schriftstück leider nicht. Auch lässt sich aus dem Begriff "Besitz" nicht ableiten, ob die Grundstücke bereits wieder bebaut waren. Auch die wenigen neuen Sudenburger, die sich bereits angesiedelt hatten, waren beim Magdeburger Dom eingepfarrt.

 - 1685 -   [nach oben]

29.10.: Der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg erlässt das Potsdamer Edikt, das die Einwanderung von glaubensverfolgten französischen Hugenotten zulässt.
Diese Zuwanderungswelle bringt bis 1705 ca. 1500 Einwanderer, die hauptsächlich in Magdeburg, aber auch in den Vorstädten Neustadt und Sudenburg angesiedelt werden.
Die "französische Kolonie" erhält weit reichende Privilegien, einen eigenen Magistrat und einen eigenen Gerichtsstand, der Magdeburg, Neustadt und Sudenburg umfasst. [...]

 - 1689 -   [nach oben]

25.05.: Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg erlässt das Gröninger Privileg für pfälzische Flüchtlinge, das zur Gründung der Pfälzer Kolonie in Magdeburg führte. Es wurde vier Jahre nach dem Potsdamer Edikt mit Vertretern der reformierten Gemeinde in Mannheim ausgehandelt, die nach der Zerstörung ihrer Stadt im Pfälzischen Erbfolgekrieg nach Frankfurt am Main und Hanau geflüchteten waren.
24 der Pfälzer Familien werden in der Sudenburg angesiedelt. [Radem]


Erst 58 Jahre nach der Zerstörung beginnt mit der Ansiedlung der Pfälzer Flüchtlinge ein planmäßiger Wiederaufbau der Sudenburg.
Die Ansiedlung erfolgte jedoch nicht auf Sudenburger Grund, sondern südlich davon, auf der Fläche des Fleckens St. Michael. Den neuen Bewohnern wurden die alten Rechte zugestanden. Ansiedlungen auf Sudenburger Grund wurden nur vereinzelt gestattet, da weiterhin ein Ansiedlungsverbot wegen des geplanten Ausbaus der Festung Magdeburg bestand. [GBl39, S. 238-256]


Nachdem auch auf Sudenburger Gebiet langsam die Bevölkerung anwuchs, forderten die Ansiedler ebenfalls ihre historischen Stadtrechte ein. Um dem gerecht zu werden und keine zwei unabhängigen Städte im Siedlungsgebiet zu haben, wurden die auf Sudenburger Gebiet erbauten Häuser dem Flecken St. Michael zugeordnet.
Streng genommen handelte es sich bei der Neugründung also um St. Michael, nicht um Sudenburg. Nach weiteren Ansiedlungen auf dem Sudenburger Gebiet, setzte sich für das neue Gemeinwesen jedoch der Name Sudenburg durch.

 - 1701 -   [nach oben]

Sudenburg wird preußisch.
Das Herzogtum Magdeburg wird Bestandteil des neu gegündeten Königreichs Preußen. [...]

 - 1702 -   [nach oben]

In der Siedlungsgemeinschaft Sudenburg / St. Michael sind inzwischen 66 Häuser errichtet. [Radem]

 - 1712 -   [nach oben]

Der Flecken St. Michael und Sudenburg werden rechtlich zusammengelegt und bilden fortan als "Sudenburg" eine einzige Gemeinde.
Mit der Zusammenlegung werden auch die Sudenburger Stadtrechte bestätigt. Der Ortsname St. Michael ist nach gut 500 Jahren Geschichte. [Lha S-A, Akte, A 9a VI, Sudenburg Magdeburg Nr. 52: "Die Zusammenlegung des Fleckens St. Michael mit der Stadt Sudenburg und Bestätigung der Stadtgerechtsame"]

 - 1717 -   [nach oben]

Die allgemeine Schulpflicht wird eingeführt.
Mit der Principia regulativa führt König Friedrich Wilhelm I. von Preußen am vom 28. September 1717 die allgemeine Schulpflicht für Kinder zwischen 5 und 12 Jahren ein. Ziel war die Verbesserung der Bildung zur Gewinnung von Fachkräften. Zunächst galt die Regelung nur für Orte, die bereits eine Schule besaßen. Der Bau von Schulen wurde vom Staat nachhaltig gefördert und voran getrieben. An der Struktur der Schulen änderte sich zunächst nichts. Da sie möglichst nichts kosten sollten, wurde zumeist dem örtliche Küster zusätzlich die Aufgabe des Schulmeisters übertragen. Bis zum Einsatz von geschultem Fachpersonal wird noch viel Zeit vergehen.
Die Aufsicht über die Schule und den Lehrstoff ist in der Regel dem örtliche Pfarrer übertragen. In Sudenburg ist dies noch bis zur Eingemeindung 1867 der Fall. 1794 wird der allgemeine Schulunterricht als Staatsaufgabe in die preußische Verfassung aufgenommen. [...]

 - 1721 -   [nach oben]

Unter der Regierung Friedrich Wilhelms I. auf spezielle Anregung des „Alten Dessauers“ wird der Bau der südlichen Magdeburger Schanze begonnen, dem Fort Berge. Dieses besser unter „Sternschanze“ oder „Stern“ bekannte Festungsbauwerk entstand auf Gelände des etwas südlich davon gelegenen Klosters Berge. Dieser Bau grenzte im Westen direkt an die Sudenburg und östlich an die Elbe, deren Hauptarm zu jener Zeit noch näher an der östlichen Stadtgrenze Magdeburgs lag. Die Mauerarbeiten für diesen riesigen sternförmigen Festungsbau waren bereits vier Jahre später (1725) abgeschlossen. [GBl39, S. 238-256],[Wikipedia]
Anm.: Im Jahre 1904 wird das Gelände an die Stadt Magdeburg verkauft und das Fort durch das Magdeburger Pionier-Bataillon gesprengt. Es wurden in ca. 6 Monate insgesamt 713 Sprengladungen benötigt, um die ca. 40.000 qbm Mauerwerk zu zerlegen. Die gesamte Anlage hatte eine Größe von ca. 8,5 ha.


Nach Fertigstellung der Sternschanze werden die Befestigungen in Elbnähe, zwischen Altstadt und "Stern" weiter ausgebaut. Für diese Maßnahmen wurde die Straße vom (Alten) Sudenburger Tor (Ecke Breiter Weg / Danzstraße) zum Kloster Berge mit Festungswerken überbaut und Sudenburg von der Elbe abgeschnitten. Einige neu errichtete Sudenburger Häuser, elbseitig an dieser Straße errichtet, mussten den neuen Befestigungswerken weichen. [...]


Durch den Festungsbau der Magdeburger gingen große Teile des alten Sudenburger Siedlungsgebietes verloren.
Dies betraf den nördlichen Teil des alten Sudenburg und die östlichen, elbnahen Bereiche. Das Gelände der Domherrensiedlung auf dem Pralenberg (Prälatenberg), das Mariendorf (ehemals Judendorf) und der östliche Teil des Fleckens St. Michael verschwanden nun nach und nach unter neuen Festungswerken der Altstadt.
Vom alten Stadtgebiet der Sudenburg war nur der südwestliche Bereich, entlang dem heutigen Breiten Weg geblieben (etwa vom Friedens- bis zum Hasselbachplatz). Südlich des Hasselbachplatzes, im Bereich der heutigen Sternstraße, lag die verbliebene nördliche Fläche des Fleckens St. Michael, auf dem ein Großteil der 24 Pfälzer Familien angesiedelt worden war.
Auf eine ernsthafte Befestigung der neuen Sudenburg wird verzichtet. Es gibt zur Begrenzung nur einen Accisegraben an der Süd- und Westgrenze und Schlagbäume (Wanzleber- und Halberstädter Schlag) an den beiden Ausfallstraßen.

 - 1722 -   [nach oben]

06.08.: Grundsteinlegung für die neue (4.) Kirche St. Ambrosius.
Erst 91 Jahre nach der Zerstörung (1631) der alten Ambrosiuskirche. Angeregt wurde dieser Bau 1722 vom Regierungsrat und Möllenvogt Dürfeld, der den frommen König Friedrich Wilhelm I. von seiner Idee begeisterte. Der König selber bestimmte sogar den Bauplatz. Nach Hertel wurde Dürfeld für sein Engagement vom König sogar in den Adelsstand erhoben. Nachdem die Pläne gefertigt und der Termin der Grundsteinlegung festgesetzt war, erhob das Domkapitel Einspruch gegen den Bau, weil die Sudenburg seit 1631 dem Dom incorporiert sei. Diese Schwierigkeiten wurden vom Generalsuperintendenten des Herzogtums Magdeburg, Abt Breithaupt vom Kloster Berge, ausgeräumt, der auch Patron der Kirche St. Ambrosii wurde. Der Grundstein wurde nun in Beisein des Geheimen Rats von Dürfeld  gelegt, wobei Breithaupt die Rede hielt.
Die ersten Kosten wurden durch eine Schenkung Dürfelds und eine bei dieser Feier veranstalteten Kollekte gedeckt. Die Baumaterialien für die geplante Fachwerkkirche wurden auch gespendet. Das Holz spendete der Gouverneur von Magdeburg, Herzog Leopold von Dessau. 20 Eichen spendete der Dompropst Herzog Heinrich von Barby. Das Kloster Berge gab ebenfalls Holz und die Steine für die Ausfachungen. Sie stammten von der bei der Eroberung eingerissenen Klosterkirche und waren bis dato für eine Gartenmauer verwendet worden. 10 Maurergesellen aus dem Vogtland, die am Bau der Magdeburger Befestigungsanlagen eingesetzt waren, mauerten unendgeldlich die Ausfachungen, täglich 2 Stunden nach ihrem Feierabend. [GBl21, S. 213ff]

 - 1723 -   [nach oben]

05.12.: Am 2. Advent 1723 wird, nach 16 Monaten Bauzeit, die neue Kirche St. Ambrosius eingeweiht.
Die erste Predigt hielt Abt Breithaupt vom Klosters Berge über Luc. 21.
Erster Pfarrer wurde Friedrich Christian Schreiber, der bereits 1722 nach Sudenburg berufen wurde und bis zur Fertigstellung der Kirche in der Kapelle des St. Georgenhospitals (Siechenhof) Predigten für die Sudenburger hielt. [GBl21, S. 213ff], [Cleri, S. ???]
Anm.: Bei Gründungsarbeiten Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Grundstein der 1812 abgebrochenen Kirche gefunden, in den eine mit Inschrift versehene Zinnplatte eingelegt war. Als Fundort gibt Hertel das Haus Nr. 263 am „verlängerten“ Breiten Weg an. Auf der Platte stehen in lateinischer Schrift u.a. das Datum der Grundsteinlegung und die Namen der Männer, die sich um den Bau der Kirche verdient gemacht haben. Die Kirche besaß noch drei andere Inschriften, die sich abgedruckt im „Kettner’schen clerus“ finden lassen.

Die 4. Kirche St. Ambrosius
Die 4. Kirche St. Ambrosius.
[Bildquelle: AKPS Rep J3, Nr. 796]

Folgende Pfarrer waren an der 4. Kirche St. Ambrosius tätig:
1722-1761: Friedrich Christian Schreiber (* 09.05.1690, † ??.04.1761)
1761-1762: Christoph Friedrich Goldbeck (* 29.07.1726, † 13.08.1762)
1763-1772: Andreas Balthasar Köppe (* ??.??.1733, † ??.??.????)
1772-1779: Joachim Michael Fritzsche (* ??.??.????, † ??.??.????)
1779-1832: Johann Wilhelm Christoph Mevius (* ??.??.????, † ??.??.????)

 - 1740 -   [nach oben]

Sudenburg hat 971 Einwohner. [AWM, S. 350]

 - 1780 -   [nach oben]

Sudenburg hat 186 Häuser und 1366 Einwohner.
Innerhalb von 40 Jahren hat sich die Einwohnerzahl Sudenburgs um ca. 50 % erhöht. [Rath4, S. 324],[AWM, S. 350]

 - 1788 -   [nach oben]

Die erste Zichorienfabrik Sudenburgs wird angelegt.
Errichtet wird sie von den Magdeburger Kaufleuten Johann Stephan Reinhardt & Ernst Christoph Helle auf drei Morgen vom Kloster St. Agneten. [SPA78, S. 246]

 - 1794 -   [nach oben]

Weitere Zichorienfabriken entstehen in der Sudenburger Feldmark:
- Johann Christan Fölsche (auf 4 Morgen der Seidenkramerinnung).
- Lömpcke (im Laasschen Garten).
- Arend Hesse (im ehemaligen Stickeschen Garten vor dem Ulrichstor).
[SPA78, S. 246]


Abschaffung der Leibeigenschaft in Preußen.
In allgemeinen preußischen Landrecht wird die Leibeigenschaft als unzulässig erklärt und stufenweise beseitigt. Die endgültige Umsetzung wird 1807 per königlichem Erlass zum 11.11.1810 (Martinstag) festgesetzt. Durch Edikt vom 14.09.1811 folgte die Eigentumsverleihung der Bauernhöfe und die Abschaffung der Naturaldienste. [Wikipedia]

 - 1797 -   [nach oben]

Zwei weitere Betriebe gründen sich:
- Die Zichorienfabrik von Graff.
- Die Darre von Lefevre & Schmidt.
[SPA78, S. 245]

 - 1798 -   [nach oben]

Die Sudenburger Bevölkerung wächst auf 1.600 Einwohner. [AWM, S. 351]

 - 1806 -   [nach oben]

Sudenburg erhält eine Armenschule.
Auf Veranlassung des Direktors der Magdeburger Domschule Gottfried Benedikt Funk wird durch das Domkapitel eine Freischule für ca. 100 Kinder aus ärmeren Schichten eingerichtet. Unterrichtet werden die Kinder von Seminaristen des Schullehrerseminars der Domschule. [Magdeburger Biografisches Lexikon: Funk]


01.10.: Der preußische König Friedrich Wilhelm III. richtet ein Ultimatum an Napoleon, seine Truppen hinter den Rhein zurück zu ziehen, was einer Kriegserklärung an Frankreich gleichkommt. Napoleon reagiert schnell.
Am 14. Oktober werden die Preußischen Truppen bei Jena und Auerbach vernichtend geschlagen.


08.11.: Magdeburg wird von französischen Truppen besetzt.
Die Franzosen belagern Magdeburg mit nur 7.000 Mann. Trotz großer Überlegenheit (21.000 Soldaten) und der Festungsanlage in seinem Besitz, kapituliert der Magdeburger Kommandant von Kleist ohne größeren Widerstand zu leisten.
Die Franzosen werden anfangs von der Bevölkerung nicht feindlich empfangen, verspricht das französische System doch mehr individuelle Freiheiten. Durch immer neue Abgaben und Repressalien schwenkt die Stimmung jedoch um. Zunehmend werden die Franzosen als Besatzer empfunden. Die anfangs neutrale Haltung ihnen gegenüber wird in den nächsten Jahren immer mehr in Ablehnung und Hass umschlagen.


21.11.: Napoleon verhängt die "Kontinentalsperre".
Um die Wirtschaft des Kriegsgegners England zu schwächen, werden die Häfen des Kontinents für englische Schiffe gesperrt.

 - 1807 -   [nach oben]

15.11.: Preußen muss in den Tilsiter Frieden einwilligen.
Dies hat zur Folge, dass Preußen die westlich der Elbe liegenden Gebiete abtreten muss, die in das neu gegründete Königreich Westphalen eingegliedert werden, einem französischen Vasallenstaat mit Kassel als Hauptstadt. Napoleon bestimmt seinen Bruder Jérome (Hieronymus) zum König dieses neuen Staates.
Da Preußen zum Beitritt zur Kontinentalsperre gezwungen war, erklärten England und Schweden Preußen den Krieg. Wirtschaftliche Folge ist das Ausbleiben vieler Importwaren. Die Preise von z.B. Kaffee und Zucker schnellten in die Höhe. Die Sudenburger Industriebetriebe profitierten davon, da die Nachfrage nach der einheimischen Alternative Zichorienkaffee ständig stieg. [...]


24.12.: Gebietsreform im Königreich Westphalen, Gründung des Kantons Sudenburg.
Es ergeht ein königliches Dekret Jéromes zur Aufteilung des Königreichs Westphalen in 8 Departements.
Die Stadt Sudenburg liegt nun im Elbe-Departement, im Distrikt Magdeburg und ist Hauptort des Kantons Sudenburg.
Der Kanton hat 10 Gemeinden und insgesamt 5.672 Einwohner. Er umfasst:
Sudenburg (Stadt), das Kloster Berge, die Dörfer Buckau, Lemsdorf, Fermersleben, Benneckenbeck , Salbke, Westerhüsen, Sohlen, Beyendorf, Groß- und Klein Ottersleben, sowie einen Teil des „Meiergerichts“. [http://www.physiomagnus.de/amshausen.de/in/rw221/rw221.html]

 - 1808 -   [nach oben]

Eine Bestandsaufnahme des Königreichs Westphalen stellt fest:
"Sudenburg besitzt 1 Kirche, 4 Wassermahl- und 8 Windmühlen, zählt 186 Häuser und 1.508 Menschen, worunter 411 Professionisten und Fabrikarbeiter sich befinden. Von Fabriken haben jedoch nur 6 Cichorienfabriken mit einer Produktion von 24.800 Cntr. (400.000 Fr. an Werthe), 1 Weinessigfabrik und 1 Oelmühle sich ... etabliert."
[ Band 6 von Neueste lȧnder-und völkerkunde: Ein geographisches lesebuch für alle stȧnde, Im verlage des geographischen instituts, 1808, Original von University of Michigan, Digitalisiert 24. März 2006]

 - 1810 -   [nach oben]

Erstmalig ergeht ein französisches Dekret zum Abriss der Sudenburg, um Schussfreiheit für die Festung Magdeburg zu erlangen. Umgesetzt wird der Befehl jedoch vorerst noch nicht. [...]

 - 1811 -   [nach oben]

15.03.: Per Dekret werden dem Kanton Sudenburg noch Prester, Crakau und die Meierei Herrenkrug zugeschlagen. [Gesetz-bülletin des königreichs Westphalen ..., von Westphalia, Ausgaben 1-33, Nr. 27, Seite 129]


Der Grundstein der Sudenburger Zuckerindustrie wird gelegt.
Begünstigt durch den Mangel an Rohrohrzucker durch die Kontinentalsperre wird die Herstellung von Rübenzucker rentabel. In der Sudenburger Feldmark entstehen die ersten drei Rübenzuckerfabriken und eine Rübensirupfabrik:

- Rübenzuckerfabrik Hammer (heutiges Grundstück Halberstädter Straße 113/115, gegenüber dem Eiskellerplatz).
- Rübenzuckerfabrik Fölsche (Sudenburger Anger: Südseite der Halberstädter Str., hinter Einmündung der Leipziger Str.).
- Rübenzuckerfabrik Reinhardt & Helle (auf dem Sudenburger Anger, westlich der Fölsche'schen Fabrik).
- Rübensirupfabrik der Witwe Marie Lömpcke (im Laas'schen Garten, an der heutigen Ackerstraße)

 - 1812 -   [nach oben]

02.02.: Die Festung Magdeburg wird in den Belagerungszustand erklärt.
Vorausgegengen war ein von Napoleon erlassenes Dekret vom 02.02.1812, das faktisch die Befehlsgewalt dem Militär überträgt. Am 03.03.1812 wird die Anordnung in der Magdeburger Zeitung veröffentlicht. [AZ1812, S. 296]


19.02.: Napoleon befielt den Abriss der Sudenburg bis zum 01. April.
Der französische Kaiser Napoleon befielt, dass zur Herstellung der Schussfreiheit der Festung alle im Schussfeld liegenden Häuser der Vorstädte abgerissen werden müssen. Dieses Dekret vom 19.02.1812, von Napoleon unterschrieben, befielt den kompletten Abriss Sudenburgs bis zum 01.04.1812. [AWM, S. 125]


Neben der Sudenburg waren von dem Abrissbefehl auch Teile der Neustadt, das direkt an der Westgrenze der Sudenburg gelegene Hospital St. Georg (der Siechenhof), ein zum Amt der Möllenvoigtei gehörendes Vorwerk (südlich der Sudenburg gelegen) und 10 weitere Häuser betroffen. ["Magdeburg während der Blokade in den Jahren 1813 und 1814: ein Beitrag zur ...", von Johann Christian Gotthilf Liebecke, Seite 4]


Nach den Aufzeichnungen des Ackerbürgers Witte erging am 01.03. die Order an die Hausbesitzer, ihre Häuser innerhalb von drei Tagen abzureißen. Wenn es jemand in der vorgegebenen Zeit nicht schaffte sein Haus zu demontieren und seine Habe zu sichern, dann legten es die französischen "sappeur" (Belagerungspioniere/Truppenhandwerker) kurzerhand in Trümmer. [AKPS, Rep J3 Nr. 796]


Die öffentlichen Gebäude und die Ambrosiuskirche wurden vor Abrissbeginn "verkauft". Der "Käufer" hatte hier für den Abriss und die Entfernung der Baustoffe innerhalb des festgesetzten Zeitraums zu sorgen.
Es gab für die Sudenburger Hausbesitzer zwar bereits die Ankündigung einer Landentschädigung, diese war zum Zeitpunkt des Abrisses jedoch noch nicht umgesetzt. Die Sudenburger saßen nun ohne Dach über dem Kopf auf der Straße und mussten sich irgendwie behelfen. Für die besitzlosen Einwohner gab es keinerlei Perspektiven. Eine Entschädigung oder andere Hilfen waren für diesen Personenkreis nicht vorgesehen. (siehe auch nachfolgende Artikel aus der "Allgemeinen Zeitung" von 1812)


Zum Abriss der Sudeburg erschienen einige Meldungen in der "Allgemeinen Zeitung":
Die Meldungen sind durch die französische Zensur geschönt. Auch weichen die Daten etwas von denen anderen Quellen ab.

Allgemeine Zeitung Nro. 80 vom Freitag 20. März 1812:
"Die großherzögl. Frankfurtische Staatszeitung meldet aus Magdeburg unterm 7 März, die Regierung habe verschiedene Verfügungen zu Gunsten der Einwohner von Neustadt und Sudenburg bekannt gemacht, deren Häuser auf den 1 April niedergerissen werden sollten."
[AZ1812, S. 320]

Allgemeine Zeitung Nro. 81 vom Sonnabend 21. März 1812:
"Nach mehreren in der Magdeburger Zeitung vom 10 März bekannt gemachten Verordnungen sollen die Vorstädte Neustadt und Sudenburg bis zum 1 April gänzlich rasiert seyn. Der Präfekt des Elbdepartements fordert alle Maires und Bewohner seines Departements zur Unterstützung der dadurch unglücklichen Bewohner dieser Vorstädte auf, damit diese in ihrem harten unverschuldeten Schicksal, dem sie sich mit einer rührenden Ergebenheit unterwerfen, durch den Beistand ihrer Mitbürger Trost und Unterstützung finden. Übrigens werden diese Bewohner vom Staate entschädigt, und es wird ihnen ein anderweites Unterkommen angewiesen werden. Die zur Kommune Sudenburg gehörigen Gebäude, als die Kirche St. Ambrosi, das Rathhaus, das Pfarrhaus, das Schulhaus, das Pfarrwittwen-, Hirten- und Sprizenhaus wurden am 10 März auf den Abbriss öffentlich verkauft. (Nürnb. Korr.)"
[AZ1812, S. 324]

Allgemeine Zeitung Nro. 88 vom Sonnabend 28. März 1812:
"Von den Magdeburger Vorstädten Neustadt und Sudenburg, deren Häuser bis zum 1 April niedergerissen seyn müssen, enthält Sudenburg 186 Feuerstellen und 1600 Einwohner, und die Neustadt, einschließlich der Klöster, 741 Feuerstellen und 3000 Einwohner."
[AZ1812, S. 352]


Eine topografische Beschreibung der Sudenburg kurz vor dem Abriss liefert der 1855 verstorbene Sudenburger Ackerbürger Witte:

"Die alte Sudenburg stand im J. 1812 dicht vor Magdeburg wenn man raus zum Sbger Thor kam und die letzte Brücke passiert war, so begann einige Ruthen davon die Stadt. Sie hatte 3 Straßen. Die eine ging von der Brücke gerade runter nach dem Stern, wo jetzt das Pflaster noch daliegt und links die erste Remise noch vor steht. Und die andre ging bei Scharnhorst runter nach dem Halberstädter Thor bei dem Militärkirchhof, wo der Weg noch bis jetzt nach Buckau geht. Das Thor wurde mit 15 Mann Militär täglich besetzt - dies war die Abendstraße. Die Andre ging vom Sbger Thor rechts runter auch nach dem Halbst. Thor. Da kamen sie beide zusammen. Das war die Mittagstr. Eine ging vom Sbger Thor rechts nach dem Wanzleber Thor. Das wurde täglich mit 10 Mann besetzt. Es waren 160 Häuser in der Stadt, davon nur 4 übersetzt, die anderen 1 stöckig, aber mit Erker. Das eine 2 stöckige Haus ist der goldene Löwe am hiesigen Markt. Dies Haus ist zum 3. mal aufgebaut. Vom Wanzleber Thor ging ein Graben 20 F. br. 20 F. tief rings herum bis nach dem Stern mit einer Ecke und in dieser Ecke war eine Batterie mit 6 Kanonen deren Mündung nach der Mühle die jetzt noch beim Militärkirchhof. Diesseits des Grabens am Wall ging ein Weg zum Fahren um die Sbg hinter den Gärten herum, der war mit Gras bewachsen. Es war auch eine große Kirche da, noch mal so groß als diese aber von Holz mit einem hohen Thurm, die stand wo das Scharnhorst steht und davor war auch der Kirchhof. Die Todten sind beinahe alle auf die Schanze gefahren. Es war auch eine große Schule, auch eine Armenschule da. Es waren 3 Gemeindebrunnen, 1 in der Abendstr., 1 in Mittagstr auf dem 200 Ruthen großen grünen Platz. Da stand das Schützenhaus drauf; noch ein Brunnen auf dem Kleinen Platz 100 R. groß. Es waren in Sudenburg 1 Brauhaus, 3 Brantweinbrenner, 4 Bäcker, 4 Fleischer, 1 Schmelzer, 5 Kaufleute, 3 Schneider, 2 Schlosser, 2 Stellmacher, 2 Sattler, Glaser, Tischler etc, 3 Tabagien; auch ein Schützenhaus, was 1812 abgebrochen u auf dem Herrenkrug aufgestellt wurde ( was 184-- durch das gegenwärtige ersetzt ist). Es gehört den Pfälzer Bürgern in Mdb, die hatten ihr Silber- und Königsschießen da alle Jahr, dabei war auch ein großer Garten zum Vergnügen. Auch ein großes Rathhaus war da drin. - Wenn man zum Wanzleber Thor raus kam links stand ein großes Hospitel Georgen, was jetzt in Mbg auf dem Georgenplatz, mit einer kleinen Kirche auch Scheunen u viele Ställe u einem großen Garten. Da waren 8 Windmühlen bis nach dem Ulrichsthore vorbei; die Müller u Gärtner das mußte alles nach der Sbger Kirche kommen. Das war das Meiergericht ist aber bei den Kriegen separiert.
Die Sbg hatte auch 3 Schiffsmühlen an der Elbe liegen. Wenn man zum Halbst. Thor rauskam war am Wege nach Buckau ein großer Garten, einige Häuser, Scheunen Ställe der Katzenhof genannt. Wo die Turnanstalt ist war ein Königl Vorwerk mit Scheunen u Ställen 4 Spann Pferde, Garten Fischteich.  ..."
[AKPS, Rep J3, Nr. 796]

Ergänzende topografische Informationen liefert Berghauer (Stand 1800):

"Vor dem Halberstädter Schlage ist der Zoll oder die sogenannte Laus. Dieser Zoll liegt, wenn man von der Stadt kommt und die Straße verfolgt, rechts. Dabei ist zugleich ein Wirthshaus, dem ein anderes gegenüber liegt. Hier fängt die Chaussee an, welche von Magdeburg durch einen Theil des Bernburgischen nach Halle führt.
Hinter dem Zoll die Cichorien-Fabrik des Kaufmanns Felsch.
Zwischen Zoll und dem Kloster Bergen liegen mehrere Gehöfte und Garten, auch die beyden Vorwerke des Amtes der Möllenvoigtey.
Vor dem Stern ... unweit der Elbe auf einer Anhöhe liegt das Kloster Bergen.
... Zu den Merkwürdigkeiten von Kloster Bergen gehört vorzüglich der Garten, der sich sowohl durch seine beträchtliche Größe, als durch seine mehr der Natur als durch Kunst gebildeten Annehmlichkeiten vor andern Garten bey Magdeburg auszeichnet. Besonders ist in demselben eine 500 Schritt lange Allee von hohen Rüstern, die unter dem Namen des Poeten-Ganges bekannt ist. Er enthält auch einen kleinen botanischen Garten".
[Bergh1, S. 206ff]

Anmerkungen:
- Der Zoll lag an der Einmündung der Leipziger Straße in die Halberstädter Straße, in der Wüstung Rottersdorf.
- Das "gegenüberliegende" Wirtshaus war der "Goldene Schlag".
- Kaufmann "Felsch" = Johann Christoph Fölsche, der 1800 verstarb. 1812 waren seine Söhne die Besitzer, die auf dem Gelände auch eine erste Rübenzuckerfabrik (1811-12) betrieben.
- Die "Anhöhe" wurde als Riddagsberg bezeichnet.
- Auf dem Areal des ehemaligen Klostergartens befindet sich heute der Park Klosterbergegarten.
- "Rüstern" sind Ulmen, es handelt sich also um eine Ulmenallee.
1813 wird das Kloster von den Franzosen abgebrochen, die Bäume des "Poetenganges" werden gefällt und das Holz in die Altstadt gebracht.

weiter mit 1812 - 1814

Quellen:

nach oben

www.sudenburg-chronik.de - Thomas Garde - CC-BY-SA 3.0 - DE