Die Chronik von Sudenburg

1812 - 1814

Bearbeitungsstand: 07.09.2015

Das heutige Sudenburg:

Neuanfang und Zeit der Magdeburger Blockade 1813/14.

Einen Einblick in diese schwere Zeit von Abriss und Neubeginn liefert als Augenzeuge der 1855 verstorbene Ackerbürger Witte, der angeregt vom Pfarrer Hirschberg seine Erlebnisse niederschrieb, die dieser wortgetreu in seine Chronik übernahm:

"... Die Sudenburg wurde 1812 demoliert. Wir kriegten den 1. März Ordre abzureißen u das in 3 Tagen, wer da nicht fertig war kamen die Sappeur und rissen selber ein. Das war eine elende Zeit. Ein Jeder mußte nun sehen, wo er mit seiner Familie blieb bei Frost und Schneewetter. Viele blieben in ihren Kellern.
Im Mai 1812 kriegten wir Acker zur Entschädigung. Da mußten wir uns einen Ort wählen zum Aufbauen, aber 1/2 Meile von Mbg, da haben wir hier gewählt. Kaufmann Hammer hatte 1811 eine Zuckerfabrik angefangen, jetzt Müller u Weichsel, da nahmen wir unseren Stand, da wurde einem Jeden sein Fleck zugemessen, da baute ein Jeder so gut er konnte u auf dem Felde kriegte ein Jeder seinen Acker was er werth war zugeteilt. Es hatten sich schon im April u März aus Noth 1812 kleine Häuser oder Hütten gebaut, wo jetzt die Fabriken stehen, das war der Anger.
Wir hatten 1812 Sept. Okt. November einige Häuser wieder aufgebaut und 1813 auch, daß wir zufrieden waren, daß wir 1 Stube suchten zur Schule und Sonntag wieder Kirche hielten. Da wurde sie die Catharinenstadt genannt von dem Westphalenkönig Hieronymus Napoleon seine Frau.
Nun kam aber das 2t. Unglück 1813 am 11. Febr. weil Napoleon bei Leipzig geschlagen war 18 Okt. Da kamen 2 Bataillone Franzosen Infantrie u 1 Schwadron Cürassiere bei uns. Das war ein Elend. Sie wurden auf Hammers Fabrik untergebracht, die zu Pferde bei die Wirthe. Da mußten wir gleich Kartoffeln liefern u Mohrrüben, da wurde auf der Fabrik Feuer angemacht und gekocht Tag u Nacht, da wurden alle Planken verbrannt u alle Ställe, Scheunen u weil wir keine Kartoffeln mehr wollten haben, da gingen sie des Nachts in die Keller, da war Mord und Totschlag. Der Oberste von die Cürassiere war König und Kommandant in der Catharinenstadt, was der befahl das mußte geschehen, der hieß Krabbe. Der ließ Weizen, Bohnen ausdreschen, nach Mbg fahren, verkaufte es u das Geld gab er seinen Frauen zum Besten in Mbg. Er wurde genannt Krabbe der Höllenhund. Alle Tage mussten wir auf Arbeit und wer nicht kam kriegte was mit dem Kantschu."
[AKPS, Rep J3 Nr. 796]

Anmerkungen:
- Der Anger befand sich im Bereich zwischen der Halberstädter Straße und Klinke, zwischen Einmündung Leipziger Straße und Buckauer Straße. In diesem Bereich lagen auch die frühen Rübenzuckerfabriken von Fölsche und Helle.
- Die Rübenzuckerfabrik von Hammer befand sich direkt gegenüber dem Eiskellerplatz an der Halberstädter Straße.
- "Kantschu" ist eine Peitsche.
- Die Datumsangaben aus Witte Erinnerungen sind nicht korrekt, wie die nachfolgende Chronologie belegt.

Chronik:

 - 1812 -   [nach oben]

Nachdem Napoleon per Dektret vom 02.02. die Festung Magdeburg in den Belagerungszustand versetzt hatte, folgte am 19.02. das Dekret, das den kompletten Abriss der Sudenburg und von Teilen der Neustadt befielt. Nach Erreichen Magdeburgs wird dies bekannt gemacht und zügig angegangen, da die Abrisse gemäß Dekret vor dem 01.04. abgeschlossen sein müssen. Hintergrund dieser Befehle waren Vorbereitungen zum geplanten Russlandfeldzug Napoleons.


07.03.: Ankündigung einer Landentschädigung zum Wiederaufbau.
Den betroffenen Haus- und Grundbesitzern wird eine Landentschädigung zur Neuansiedlung angekündigt. [AZ1812, S.???]
Napoleon selbst hatte bereits im nicht umgesetzten Abrissdekret von 1810 die Entschädigung der Betroffenen befohlen. [SPA18/I, S. 45]


10.03.: Abrissbeginn.
Die Sudenburger Hausbesitzer erhielten Order, ihre Häuser abzubrechen. Am gleichen Tag wurden die öffentlichen und kirchlichen Gebäude Interessenten zum Kauf angeboten, die damit die Baustoffe erwarben und sich um den Abriss dieser Häuser zu kümmern hatten. Ob sich Käufer fanden, ist nicht geklärt. [AZ1812, S.???]
Ackerbürger Witte berichtet (s. o.), dass die Sudenburger Hausbesitzer die Order bekamen, ihre Häuser innerhalb von nur drei Tagen abzureißen. Abweichend gibt er für den Abrissbeginn den 01.03. an.


Die vielen besitzlosen Sudenburger Bürger standen nun vor dem Nichts. Auf sich allein gestellt waren sie gezwungen abzuwandern und sich irgendwo eine neue Existenz aufzubauen. Über ihr weiteres Schicksal gibt es leider keine Berichte.
Wie Bürgermeister Popitz 1817 berichtet, zogen es die wohlhabenden Sudenburger vor sich in Magdeburg anzusiedeln. Die ärmeren und mittellosen Hausbesitzer harrten aus und hofften auf die versprochene Landzuteilung und Neuansiedlung. Nach Bgm. Popitz bestand die Gruppe der Neuansiedler dadurch fast ausschließlich aus Ackerbürgern, Gärtnern (Kleinbauern) und Arbeitern. [AKPS, Rep. J3, Nr. 796]


Wie von Witte beschrieben überbrückten sie die Zeit, indem sie weiter in den Kellern ihrer niedergelegten Häuser hausten, oder sich provisorische Hütten oder kleine Häuser im Bereich des Sudenburger Angers erichteten. Im ausgehenden Winter sicher eine sehr schwere Zeit für diese Familien, da bis zur versprochene Landzuteilung noch fünf Monate verstreichen sollten.


20.05.: Das Gebiet der Neugründung wird umrissen.
Für die Neuanlage der Sudenburg waren wahrscheinlich bereits nach dem ersten Abrissdekret von 1810 mögliche Standorte geprüft worden. Einer lag an der heutigen Leipziger Straße (Höhe Südfriedhof), ein weiterer am Weg nach Lemsdorf (heute Salzmannstraße).
Man entschied sich nun letztendlich für einen Standort an der Straße nach Wanzleben, der heutigen Halberstädter Straße. In Absprache mit dem Militär wurde zunächst der Mindestabstand der Siedlung von den Festungswerken festgelegt, da sie außerhalb der Geschützreichweite liegen sollte. Die Neuansiedlung hatte demnach hinter der Manufaktur (Zichorienfabrik) des Monsieur Schneider zu erfolgen.
Anm.: Das Schneider'sche Gut lag zwischen Jordan- und Brunnerstraße. Heute erinnern der auf dem Gelände gelegene Park Schneidersgarten und die ebenso benannte Wohnsiedlung an das ehemalige Gut.


05.06.: König Jérôme gibt die Suche nach geeigneten Landflächen und die Ansiedlungsplanung in Auftrag.
Durch ein königliches Dekret Jérômes, am 05. Juni 1812 im Hauptquartier in Warschau unterzeichnet, beauftragt er seinen Finanzminister, sich der Landzuteilung und Siedlungsplanung anzunehmen. Die Allgemeine Zeitung berichtet:
"Durch ein königl. westphälisches Dekret, erlassen zu Magdeburg den 5 Jun., werden 1900 Hektaren (3800 Morgen) Dominial-Ländereien in der Gegend von Magdeburg zur Disposition des Ministers gestellt, um daraus eine Hülfskasse für diejenigen armen Einwohner der Vorstädte und der besagten Stadt, deren Häuser in Folge der zur militärischen Befestigung genommenen Maßregeln niedergerissen worden sind, zu bilden."
In diesem Dekret wird auch eine sechsjährige Befreiung von der Grundsteuer für die neu erbauten Häuser festgelegt. Am 12.06. wird die zuständige Präfektur angewiesen, eine Liste infrage kommender Grundstücke aufzustellen.


24.06.: Napoleon beginnt seinen Russlandfeldzug.
Die 610.000 Mann starke französische Armee hat ihren Aufmarsch abgeschlossen und überschreitet die russische Grenze. Sie kommt schnell voran, da die Russen nur sporadisch stärkeren Widerstand leisten.


In Magdeburg schreiten währenddessen die Planungen für die neue Sudenburg weiter voran.
Viele geeignete Ackerstücke in dem Bereich hatte sich das Königreich Westphalen bereits von Magdeburger Stiften und Klöstern angeeignet, die man nun "großzügig" zur Verfügung stellen konnte. Mit anderen Grundbesitzern einigte man sich durch Ausgleichszahlungen oder Landtausch. Schließlich konnte eine zusammenhängende Fläche für die Neuanlage gebildet werden.
Die Siedlungsfläche lag im westlichsten Teil der Sudenburger Feldmark, direkt an der Grenze zur Gemarkung Klein-Ottersleben und war etwa 2 km vom alten Standort entfernt. Mit Ausnahme der 1811 vom Kaufmann Hammer errichteten Rübenzuckerfabrik war der Bereich unbebaut.
Nachdem Anfang August die Anlageplanung der Siedlung fertiggestellt und die Parzellierung der Baustellen vorgenommen war, könnte nun endlich mit der Zuteilung der Grundstücke begonnen werden. Fünf Monate hatten die Umsiedler ausharren und auf diesen Moment warten müssen. Zum Maire (Bürgermeister) der neuen Stadt war bereits Johann Heinrich Popitz von den Franzosen bestimmt worden.

Da nicht jeder Bauwillige ausreichend Geld und Baustoffe zur Verfügung hatte, ging der Neuaufbau nur schleppend voran. Witte berichtet, dass die ersten Häuser von September bis November entstanden, weitere dann 1813. Viele Sudenburger Familien mussten also auch den Winter 1812/13 ohne festes Dach über dem Kopf verbringen.

Die neue Siedlung durfte nicht Sudenburg heißen, sondern bekam zu Ehren von König Jérômes Ehefrau Katharina den Name "Katharinenstadt" aufgezwungen. Die französische Propaganda stellte dies jedoch anders dar, wie eine Nachricht der "Allgemeinen Zeitung" Nro. 245 vom 01.09.1812 belegt:
"Se. Maj. der König von Westphalen hat den Wunsch der demolierten Vorstädte Neustadt und Sudenburg bei Magdeburg, daß den Hauptplätzen, welche auf den vom Könige bewilligten Ländereien erbaut werden, die Namen Hieronymus- und Katharinenplatz beigelegt werden möchten, nicht nur gewährt, sondern diese Gnadenbezeugung auf die Vorstädte selbst ausgedehnt, und erlaubt, daß die eine den Namen Hieronymusvorstadt, die andere den Namen Katharinenvorstadt führen dürfe."

Ein am 22.08.1812 angelegtes Verzeichnis listet für das neue "Katharinenstadt" 147 Baustellen auf, mit Besitzername und Grundstücksgröße. Der überwiegende Teil der Grundstücke hatte eine Größe von 2/8 Preußische Morgen (638,38 m²), auch für die Mairie (Rathaus) und das Hirtenhaus waren in der Planung Grundstücke dieser Größe vorgesehen. Da sich die Größe der zugestandenen Fläche nach dem Wert des verlorenen Besitzes richtete, wurden einigen Neuansiedlern größere Baugrundstücke zuteilt:
3/8 Morgen für Lampe und Henschke,
4/8 Morgen für Witwe Becker, Fuhrmann und Lömpcke jun.,
1 2/8 Morgen für Kannemeier,
1 6/8 Morgen für Stolle,
2 4/8 Morgen für Popitz und Mlle Boese (Mlle = Mademoiselle),
2 7/8 Morgen für Hochbaum.
[SPA18/I, S. 48]
Anm.: Ob zu dieser Zeit bereits ein Rathaus und Hirtenhaus auf den dafür vorgesehenen Grundstücke angelegt wurden ist bisher unbekannt, jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Auch die Lage der beiden Grundstücke ist noch zu klären.


Topografie der "Katharinenstadt":
Zentrum der französischen Planung war ein zentraler Marktplatz ("Katharinenplatz", der heutige Ambrosiusplatz), der von rechtwinklig sich kreuzenden Straßen umgeben war. Folgende Straßen (mit heutiger Bezeichnung) wurden damals angelegt:
Halberstädter Straße, Ambrosiusplatz, Kirchhofstraße, St.-Michael-Straße, Schöninger Straße, Bergstraße, Hesekielstraße und Rottersdorfer Straße.
Diese Straßenanlage bildet noch heute das Zentrum Sudenburgs und steht unter Denkmalgeschuz. Auch die Lage eines Begränisplatzes (heute der Alte Sudenburger Friedhof) war bereits vorgesehen.
Die französische Planung sah keine Straßenbezeichnungen vor. Die einzige benannte Straße war die als Halberstädter Chaussee bezeichnete Heerstraße, die das neue "Katharinenstadt" als Hauptstraße durchzog. Die zugeteilten Baugrundstücke wurden durchnummeriert.

(Skizze!)

In einem Schreiben an den Chaussee-Inspektor Cuhrts werden weitere Einzelheiten zur Anlage der Straßen gemacht. Neben der Rechtwinklichkeit der anzulegenden Straßen werden auch deren Breite und einzuhaltende Bauabstände festgelegt. Die Straßenbreite der Hauptstraße wurde mit 14,69 m festgelegt, incl. der beiden Straßengräben 22,60 m. Für die Straßengräben ergibt sich dadurch eine Breite von jeweils ca. 4,00 m. Für die beiden Seitenwege wurden je 2 Ruthen (ca. 7,50 m) eingeplant, so dass sich eine Gesamtbreite der Straßenanlage von 37,66 m ergibt. Der Abstand zur Bebauung sollte zusätzlich eine weitere Ruthe (~ 3,75 m) betragen. [SPA18/I, S. 48f]


14.09.: Die Französische Armee besetzt Moskau.
Die Russen liefern nur Rückzugsgefechte. Sie verbrennen die Felder und transportieren die Nahrungsmittel ab, um sie nicht den Franzosen zu überlassen. Trotz der katastophalen Versorgungslage dringt die Französische Armee weiter ostwärts vor. Am 14.09. besetzen die Franzosen Moskau, das von den Russen vorher geräumt und in Brand gesteckt wurde. Napoleon unterbreitet dem Zaren ein Friedensangebot, auf das der jedoch nicht reagiert. Am 19.10. begeben sich die geschwächten Franzosen auf den Rückmarsch, verfolgt und immer wieder attackiert von russischen Einheiten. Hunger, Krankheiten und der einsetzende Winter dezimieren die französische Armee weiter. Am 05.12. verläßt Napoleon die Truppen und reist nach Paris zurück, um ein neues Heer aufzustellen.
Die Stärke der zurückkehrenden französischen Armee reduziert sich am Ende auf nur noch 30.000 Mann. Hinzu kommen ca. 50.000 Versprengte, die nach und nach in kleineren Gruppen den Rückweg schaffen, aber kaum noch kampffähig sind.


30.12.: Preußen und Russland schließen einen Waffenstillstand.
Die nun neutralen preußischen Truppen können dadurch unbehelligt ihren Rückmarsch anteten. Vom mit 20.000 Mann aufgebrochenen preußischen Hilfschor kehren ca. 15.000 Mann nach Preußen zurück. Zar Alexander strebte bereits ein Bündnis mit Preußen an.

 - 1813 -   [nach oben]

Der "Alte Sudenburger Friedhof" wird angelegt.
Gemäß der französischen Planung wird am Ende der heutigen Kirchhofstraße gegenüber dem Marktplatz (heute Ambrosiusplatz) der neue Sudenburger Begräbnisplatz angelegt. Die damalige Fläche entspricht jedoch nur einem Bruchteil der heutigen.
Eine Kirche für die neue Siedlung war nicht vorgesehen.


27.03.: Preußen erklärt Frankreich den Krieg.
Vorausgegangen war ein am 23/24.02. ausgehandelter Bündnisvertrag zwischen Russland und Preußen, sowie die Aufkündigung des erzwungenen Militärbündnisses mit Napoleon am 17.03.1813.


Zur Erlangung der Schussfreiheit werden von den Franzosen weiteren Abrissen im Umfeld der Festung Magdeburg angeordnet. Es trifft
- weitere Teile der Neustadt,
- das vor der Sternschanze gelegene Kloster Berge,
- große Teile des Dorfes Buckau.
Anm.: Hier endet die ca. 850-jährigen Geschichte des Kloster Berge, das nicht wieder aufgebaut werden wird.


12.07.: Napoleon inspiziert die Festung Magdeburg.
Von Dresden komment erreicht Kaiser Napoleon Magdeburg. Nach Inspektion der Festungsanlagen, die seit der Übergabe der Stadt 1806 an die Fanzosen permanent verbessert und ausgebaut wurde, befielt er weitere Änderungen und Festungsbauten. Am Folgetag, den 13.07. reist er wieder in Richtung Dresden ab. [Block, T.1, S. 26]
Auf dem westlichen Grund der demolierten Sudenburg wird nun mit dem Bau des Fort Napoleon begonnen. Es entsteht etwa im Bereich zwischen Otto-Von-Guericke-Straße und Bahnhofstraße, Kepler- und Anhaltstraße. [SPA24, S. 16]
Anm.: Der Bau konnte von den Franzosen nicht mehr abgeschlossen werden. Umbenannt in Fort Scharnhorst wurde es später unter preußischer Hoheit fertig gestellt. 1871-73 musste es dem Bau der westlichen Bahnlinien nach Leipzig und Braunschweig weichen.


01.10.: Das königreich Westphalen wird von den Alliierten für aufgelöst erklärt.
Russische Kosacken hatten die Hauptstadt Kassel eingenommen. Nach Abzug der Kosacken besetzten erneut die Franzosen die Stadt und Jérôme kehrt letztmalig zurück. Am 26.10. müssen die Franzosen Kassel endgültig räumen.


16.-19.10.: Völkerschlacht bei Leipzig.
Sie endet mit der Niederlage Napoleons, der sich daraufhin mit seinem verbliebenen Heer auf französisches Gebiet zurückziehen muss. Ein ihm unterbreitetes Friedensangebot schlägt er aus.


Herbst: Für die "Katharinenstadt" werden 716 Einwohner und 65 Häuser registriert.
Inbegriffen sind jedoch die in der Feldmark liegenden Gebäude, die drei Runkelrübenzucker- und die Zichorienfabriken, die bereits vor der Neuanlage bestanden. [Block, T.1, S. 34]


Ende Oktober: Ein Begräbnissplatz wird an der Straße nach Ottersleben angelegt.
Ein erst zwei Monate zuvor vor dem Ulrichstor angelegter Begräbnisplatz wird von den Franzosen als zu nahe am Glassis befunden. Die vorhandenen Grabstätten, es hatten bereits ca. 150 Bestattungen stattgefunden, wurden eingeebnet. Zur Neuanlage wird ein Ackerstück an der Straße nach Ottersleben (heute Hallesche Straße) gewählt. Der Begräbnisplatz erhält später die Bezeichnung "Alter Militärfriedhof".
Vorausgegangen war die Auflösung und Einebnung der in der Altstadt befindlichen Friedhöfe, deren Flächen die Franzosen zur Anlage von Pferdeställen nutzen wollten. Es wurden aber nur einige wenige Ställe errichtet, so dass sich die Zerstörung der Friedhöfe im Nachhinein als völlig überflüssig herausstellt. Fast alle Grabaufbauten und -steine wurde zerstört. Nur sehr wenige Bürger hatten die Möglichkeit die Aufbauten und Grabsteine vorher abzutransportieren, um sie so vor der Zerstörung zu bewahren. Eine Umbettung der Verstorbenen war in der Kürze der Zeit nicht möglich, so dass sie auf den Flächen verblieben.
[Block, T.1, S. 59f]


Mitte November: Ein französischer Vorposten wird in Sudenburg errichtet.
Wie auch in anderen Vororten werden in Sudenburg französische Truppen stationiert. Ackerbürger Witte berichtet von zwei Bataillonen Infantrie und einer Schwadron Cürassiere. Die Infantrie wird in den Zuckerfabriken einquartiert, die Kürassiere in den Gastwirtschaften, da diese auch Ställe für die Pferde bieten. Da die Versorgunglieferungen aus Magdeburg nicht ausreichend sind, werden die Sudenburger gezwungen Nahrungsmittel und Brennholz zu liefern. [Block, T.2, S. 3]
Anm.: Grund für die Einrichtung der Vorposten dürfte gewesen sein, dass als Vorboten der folgenden Blockade erste Alliierte Truppen in die Gegend von Magdeburg zogen und die Bewegungsfreiheit der französischen Truppen einschränkten.


Die Rübenzuckerfabriken müssen die Produktion einstellen.
Neben der Belegung der Fabrikgebäude mit der Einquartierung werden den Fabrikbesitzern auch die Holzvorräte abgenommen. Zusätzlich werden wegen Mangels an Kartoffeln die Rünkelrüben von den Franzosen requiriert. Ein Weiterbetrieb der Fabrikation ist somit unmöglich geworden.
Die Verwendung der Rüben als Nahrungsmittel stellt sich jedoch als Fehler heraus. Ärzte gehen später davon aus, dass der Verzehr der rohen Feldfrüchte Mitauslöser von Krankheiten war, die im Herbst und Winter unter den Soldaten ausbrachen. [Block, T.2, S. 5]


Zur Gewinnung von Brenn- und Bauholz werden alle Chausseebäume (hohe Pappeln) an den Straßen nach Ottersleben (Halberstädter Straße/Chaussee) und Dodendorf (Leipziger Straße/Chaussee)) von den Franzosen gefällt. Auch die Bäume in den Gärten der in der Feldmark gelegenen Gehöfte bleiben von diesen Abholzungen nicht verschont. [Block, T.2, S.4]


19.11.: Ausfall der Franzosen nach Benneckenbeck und Klein-Ottersleben.
Sie erbeuten "einige zwanzig Stück Vieh", die sie in die Altstadt treiben. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Offiziere und Soldaten wohl einige Tiere abzweigten, die dadurch Magdeburg nie erreichten. [Block, T.2, S. 5]


Dezember: Russische und preußische Truppen beginnen die Blockade Magdeburgs.
Die französischen Truppen reagieren mit weiteren Ausfällen aus der Festung, um Nahrungsmittel und Baumaterialien zu gewinnen. Ziel sind die umliegenden Dörfer. Es wird von brutalem Vorgehen der Franzosen und ermordeten Dorfbewohnern berichtet. Im Zuge dieser "Materialbeschaffungen" werden im Umkreis Magdeburgs auch fast alle Bäume von den Franzosen gefällt und das Holz in die Stadt geschafft. Die Ausfälle werden für die Franzosen jedoch zunehmend riskanter und verlustreicher, da sich der Blockadering immer enger schließt. Er reicht fast an die "Katharinenstadt" heran, da der Einflussbereich der Alliierten sich bis in die Dörfer Groß- und Klein-Ottersleben und Benneckenbeck ausdehnt.


15.12.: Ausfall der Franzosen nach Dodendorf.
Nachts zwischen 4:00 und 5:00 rückten ein französisches Kontingent mit Ziel Dodendorf aus. Teil des Kontingents sind die in der "Katharinenstadt" stationierten Franzosen. Sie machen viel Beute und nehmen 165 dort stationierte Russen gefangen. Die Dorfbewohner werden ausgeplündert. Von herbeieilenden preußischen Truppen werden sie zurückgeworfen. Ein Ackerhof und vier Kossatenhöfe werden von den Franzosen in Brand gesteckt, die fast völlig niederbrennen. [Block, T.2, S. 21]

 - 1814 -   [nach oben]

03.01.: Ein großer Ausfall wird vorbereitet.
Um 14:00 Uhr werden die Magdeburger Tore geschlossen und niemand mehr heraus gelassen. Auch Sudenburger sitzen nun in Magdeburg fest. Nicht einmal die Kinder, die in Magdeburg die Schule besuchen und Mütter die zu ihren Säuglingen zurückkehren müssen dürfen passieren.
Nacht um 01:00 Uhr am 04.01. zieht fast die gesamte Besatzung aus. Der Hauptausfall zielte auf die Gegend zwischen Ebendorf und Olvenstedt. In der Altstadt sind am 05.01. Kanonendonner und Gewehrfeuer zu hören. Gegen 13:00 Uhr kehren die Truppen mit reicher Beute an Getreide, Kohl, Vieh, Kleidung und Bettwäsche in die Altstadt zurück.
Sie hatten in besagter Gegend mehrere Dörfer geplündert, bei denen es erneut zu Übergriffe gegen die Dorfbewohner kam. Sie trafen jedoch auf ernsten Widerstand, was 6 Wagen voller Verwundeter bezeugen. [Block, T.2, S. 28f]


07.01.: Heftiger Wintereinbruch.
Nach bis dahin milder Witterung führt die Elbe bereits am 10.01. Eis. [Block, T.2, S. 31]


Trotz der französischen Plünderungszüge wird die Verorgungslage im Inneren des Blockaderinges immer schlimmer. Die meisten Bewohner Fermerslebens haben ihr Dorf inzwischen verlassen, da die dort stationierten 600 Franzosen alle vorhandenen Lebensmittel verbraucht haben. Ende des Monats geben die Franzosen den Vorposten in Rothensee auf, da auch dort keine Lebensmittel mehr vorhanden sind.
Durch schlechte Haltungsbedingungen brechen unter dem in die Altstadt getriebenen Beutevieh Seuchen aus, die viele der Tiere dahinraffen. [Block, T.2, S. 33]


Auch in "Katharinenstadt" werden die Lebensmittel knapp. Als die Bewohner den Franzosen mitteilen, dass sie nichts mehr liefern können, kommt es häufiger vor, dass kleinere Gruppen von Soldaten mit Gewalt in Wohnhäuser eindringen und die Bewohner ausplündern. Verfolgt werden diese Übergriffe nicht.
Durch den heftigen Wintereinbruch werden auch die Brennholzvorräte knapp. Die Franzosen bedienen sich nun bei den Einwohnern. Gartenzäune werden zu Brennholz verarbeiten, auch Schuppen und Ställe werden eingerissen. Eine Entschädigung für diesen Verlust erhalten die Eigentümer nicht. [Block, T.1, S. ??]


Da es den Franzosen durch die Blockade nicht möglich ist, neue Pferde einzuführen, werden für notwendige militärische Transporte die Pferde und Gespanne der Bürger requiriert. Die Besitzer werden gezwungen Fuhren zu tätigen, ohne eine Entschädigung für den zeitlichen oder personellen Aufwand zu erhalten. Selbst die Futterkosten muss der Betroffene selber tragen. Hiervon betroffen sind Händler, Zichorien-Fabrikanten, Ackerleute, Lohnkutscher und Fuhrleute. Wer nicht dringend auf die Pferde angewiesen ist, der schafft sie ab, um dieser Verpflichtung zu entgehen. Besonders die Lohnkutscher und Fuhrunternehmer stellt dies vor ein großes Problem. Wie sollen sie den Unterhalt für die Familie bestreiten und die Kosten für Futter und Abgaben aufbringen, wenn sie für ihre Tätigkeit nicht entlohnt werden? [Block, T.2, S. 38f]


12.01.: Ausfall nach Groß- und Klein-Ottersleben und Benneckenbeck.
Die drei Dörfer werden geplündert. Als Beute schaffen die Franzosen 40 Pferde, eine Schafherde von 930 Tieren, unausgebrochenes Getreide und Stroh, Lebensmittel aller Art, Betten, Leinen und Kleidungsstücke in die Festung. [Block, T.2, S. 35f]


28.03.: Erneute Plünderung in Klein-Ottersleben.
Ein kleinere Abteilung französischer Soldaten dringt erneut in das Dorf ein, kann jedoch nur wenige Lebensmittel erbeuten. Wohl aus Ärger darüber werden einige Dorfbewohner misshandelt, sowie eine Mühle und ein kleines Wohnhaus in Brand gesteckt. [Block, T.2, S. 63f]


31.03.: Nach dem Einmarsch der alliierten Truppen in Paris muss Frankreich kapitulieren.
Napoleon muss abdanken und wird nachfolgend auf die Insel Elba verbannt.


01.04.: Ein Ausfall von 6.000 Franzosen scheitert.
Die Truppe war nachts um 1:00 Uhr ausgerückt und vor den Dörfern Groß- und Klein-Ottersleben auf heftigen Widerstand gestoßen. Es war lauter Kanonendonner zu hören und die Franzosen werden fast bis zur Festung zurückgetrieben. Von der Sternschanze wird das Feuer auf die sie verfolgenden preußischen Einheiten eröffnet. Statt der erhofften Beute brachte der Ausfall viele Verluste und über 200 Verwundete. Zu den schwer Verletzten gehörte auch der Adjudant des Generals Lanusse.
Beim Rückzug durch die "Katharinenstadt" wurde die Mieterin eines Hauses aufgefordert, ihre Betten herauszugeben. Dass diese für den Transport des Verwundeten gedacht waren, wurde ihr jedoch nicht mitgeteilt. Da die Familie durch die Lasten der Einquartierung selbst bereits völlig verarmt war, verweigerte sie die Herausgabe. Der Kommandant des Vorpostens "Katharinenstadt" Major Krabbe, wegen seiner Brutalität und Unmenschlichkeit von den Sudenburgern "der Höllenhund" genannt, ließ daraufhin das Haus einreißen und die gesamte Habe der Familie verbrennen. Der Adjudant erlag noch am gleichen Tag seinen Verletzungen. [Block, T.2, S. 66f]


Über den Kommandanten Krabbe, der auch in den Aufzeichnungen des Ackerbürgers Witte (s.o.) erwähnt wird, wird noch ein weiteres Vorkommnis berichtet. Er soll, durch Zivilkleidung getarnt, die Bewohner eines in der Feldmark gelegenen Hofes ausgefragt haben, die ihn nicht kannten. Was ihm dabei zu Ohren kam hat ihm wohl nicht gefallen. Als Reaktion darauf soll auf seinen Befehl hin der gesamte Hof dem Erdboden gleich gemacht worden sein. [Zeiten, S. 341]
Weiter werden ihm Willkür, persönliche Bereicherung und verschiedene Betrügereien zur Last gelegt.


Die Hesse'sche Zichorienfabrik wird niedergerissen.
Anfang April wird die vor dem Ulrichstor, am Weg nach Diesdorf gelegene (zu Sudenburg gehörende) Zichorienfabrik des Kaufmanns Hesse zerstört. Alle Fabrikgebäude werden von den Franzosen niedergerissen. [Block, T.2, S. 69]


10.04.: Die Meldung vom Sieg bei Paris ereicht Magdeburg.
Rund um Magdeburg wird vom Belagerungschor vor Freude "Viktoria" geschossen. Auch unter den Bürgern der "Katharinenstadt" war die Freude groß, schöpfte man doch nun Hoffnung auf ein baldiges Ende der drückenden Besatzung. [Block, T.2, S. 70]


16.04.: Beginn von Übergabeverhandlungen.
Zwischen dem französischen Gouverneur in Magdeburg und dem preußischen Oberbefehlshaber der Belagerungstruppen General von Tauenzien beginnen erste Gespräche über eine Übergabe von Magdeburg. Am 23.04. folgen Friedensgespräche und es wird ein Waffenstillstand geschlossen. Die Gefangenen werden entlassen und der Schanzdienst, zu dem die Franzosen jeden Bürger verpflichtet hatten, wird eingestellt. [Block, T.2, S. 73f]


04.05.: Die französische Besatzung wird auf den neuen französischen König Ludwig XVIII vereidigt. [Block, T.2, S. 74]
Anm.: Napoleon hatte abdanken müssen und war auf die Insel Elba verbannt worden.


16.05.: Erste Besatzungstruppen verlassen Magdeburg.
Die nicht französischen Besatzungstruppen werden entlassen. Die Kontingente der Italiener, Holländer, Österreicher und Kroaten verlassen Magdeburg und marschieren zurück in ihre Heimatländer. [Block, T.2, S. 75]


19.-23.05.: Die Franzosen räumen Magdeburg.
Die Franzosen treten in drei Kolonnen den Rückweg nach Frankreich an. Den Anfang macht am 19.05. die Division Lanusse. Am 21.05. folgt die zweite Kolonne, mit dem Präfekten von Bercagny. Die restlichen französischen Truppen, unter ihnen der Gouverneur Graf Lemarois, verlassen am 23.05.1814 Magdeburg. [Block, T.2, S. 76, 85]


24.05.: Ende der französischen Besatzung.
Einen Tag nach dem Abzug der letzten Franzosen ziehen die Preußisch-Russischen Truppen unter den Generälen Graf von Tauentzien und Ilowoiskij von der Bevölkerung begeistert empfangen in Magdeburg ein.

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Quellen:

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www.sudenburg-chronik.de - Thomas Garde - CC-BY-SA 3.0 - DE