Die Industrie- und Firmengeschichte Sudenburgs
Die von Napoleon I. verhängte Kontinentalsperre führte zu
einer ersten Gründungswelle von Zuckerfabriken im Magdeburger
Raum. Da kein Zuckerrohr mehr improtiert werden konnte, fand man eine
Alternative in der heimischen Rübe. Erste Rübenzuckerfabriken
entstanden, die aus dem Rohprodukt Rübensirup Zucker herstellten.
Diese Produktionsmethode war aufwändig und noch nicht sehr
effektiv, da die vorhandenen Rübensorten nur einen etwa
fünfprozentigen Zuckeranteil aufwiesen. Mangels Alternative war
der so produzierte Rübenzucker jedoch marktfähig.
Unabhängig vom Abriss und der Neuanlage Sudenburgs wurden 1811/12
in der Sudenburger Feldmark drei Rübenzuckerfabriken (Reinhardt
& Helle, Fölsche & Burchardt und Johann Joachim Hammer)
angelegt, sowie eine Rübensirupfabrik (Marie Lömpcke).
Nach der Niederlage Napoleons fiel die Kontinentalsperre und der viel
günstigere Rohrohrzucker gelangte wieder auf den Markt. Die
Produktion von Rübenzucker war nun nicht mehr
konkurrenzfähig. Die Fabriken musste nach kurzer Zeit die
Produktion wieder einstellen, oder auf die Verarbeitung von
Rohrrohzucker umgestellt werden. Die drei Sudenburger
Rübenzuckerfabriken wurden zwischen 1813 und 1815 stillgelegt. Die
Fabrikanten konzentrierten sich zunächst wieder auf die Produktion
von Zichorienpulver. Fölsches Fabrik wurde auf die Verarbeitung
von Rohrzucker umgestellt und produzierte als Raffinerie
spätestens ab 1821 wieder Zucker.
Begünstigt durch einen am 01.01.1834 eingeführten Schutzzoll
auf importierten Rohrrohzucker und die Züchtung ertragreicherer
Runkelrüben setzte eine zweite Gründungswelle von
Rübenzuckerfabriken ein, die nun neben den
Rohrohrzuckerraffinerien wirtschaftlich bestehen konnten. Im Jahr 1840
arbeiteten in Sudenburg bereits sechs neu gegründete
Zuckerfabriken, weitere sollten folgen. In der Folge entstanden nun
auch Zucker verarbeitende Fabriken, die Schokolade, Süßwaren
oder Likör herstellten.
Einige Neugründungen konnten sich am Markt nicht durchsetzen und
wurden nach kurzer Zeit bereits wieder stillgelegt (J.C. Schneider,
Müller & Weichsel) oder verkauft. Da neue
Rübenzuckerfabriken auf dem Land, nahe der Rübenfelder
entstanden, wurde die wirtschaftliche Lage der Sudenburger Fabriken
zunehmend schwieriger. Einige der Sudenburger Zuckerfabriken wurden um
die Jahrhundertwende stillgelegt, andere in reine Zuckerraffinerien
umgewandelt, die den nun auf dem Land produzierten Rohzucker
veredelten. Für die Raffinerien entstanden auch einige
Beinschwarz-Fabriken, deren Produkt Knochenkohle für die Reinigung
des Zuckers benötigt wurde.
Die Fabriken von Schrader, Hecht & Helle (1858), Gebr. Burchardt
(1887) und Fölsche & Co (1906) brannten ab und wurden nicht
wieder aufgebaut, die von Maquet und Gebr. Dannebaum wurden 1909
aufgegeben. Die zur Raffinerie umgewandelte Fabrik E.C. Helle musste
sich der schlechten Wirtschaftslage nach dem 1. Weltkrieg beugen und
ging 1927 in Konkurs.
Am längsten produzierte die von Zuckschwerdt & Beuchel
gegründete Fabrik an der Halberstädter Straße,
Höhe Kroatenweg. Sie wurde nach dem 2. Weltkrieg enteignet und
Produzierte als VEB Zuckerraffinerie "Hermann Danz" bis in die 1960er
Jahre.
Von den Zuckerfabriken sind noch einige Gebäude erhalten
geblieben, die heute anderweitig genutzt werden. Der Großteil der
Fabrikanlagen wurde jedoch abgerissen und durch mehrgeschossige
Wohnbebauung ersetzt.
Von diesen vier Fabriken sind Reste erhalten:
- E.C. Helle (Halberstädter Straße, zwischen Buckauer
Straße und Hellestraße)
- Müller & Weichsel Nachf. (Halberstädter Straße,
gegenüber dem Eiskellerplatz)
- VEB Zuckerraffinerie "Hermann Danz" (Halberstädter Straße,
Höhe Kroatenweg)
- Schondorf & Curio (Braunschweiger Straße)
Einige der Unternehmen blieben über mehrere Generationen in
Familienbesitz. Auch waren die Kaufmannsfamilien durch
Eheschließungen familiär miteinander verbunden, was zu
gegenseitigen Teilhaberschaften führte. Zu nennen sind hier
besonders die Familien Fölsche, Lömpcke, Helle/Dulon und
Burchardt.
Diese Familien traten nicht nur als Kaufleute und Fabrikanten hervor,
sondern waren auch für das Gemeinwohl aktiv, was jedoch nicht über
die harten Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Arbeiter hinwegtäuschen darf.
Fölsche war Sudenburger Stadtrat und Mitunterzeichner des
Vereinigungsvertrages mit der Stadt Magdeburg, danach als Sudenburger
Vertreter im Vereinigten Stadtrat. Die Familie Lömpcke stellte
zwei Sudenburger Stadträte, wovon Carl Friedrich Lömpcke als
Nachfolger von Johann Heinrich Popitz zum Sudenburger
Bürgermeister berufen wurde.
aktualisiert: 11.12.2014
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