Firmenblatt: | Bearbeitungsstand: 12.08.2021 |
Die Industriegeschichte Sudenburgs
Firmendaten:
Gründung - Ende: | 1812 - 1928 |
Gründer: | Georg Joseph Scheuer (* 05.11.1789 in Fürth, † 1850er) |
Standort(e): |
1812-1900: Fürth 1900-1928: Schönebeck und Fürth 1927-1929: auch Feldstraße 50, Magdeburg-Buckau |
Produkt(e): | Acht Ritter-Kaffee, Doppel-Ritter-Kaffee |
Bemerkungen: | Die Firma Georg Jos. Scheuer war kein Sudenburger Unternehmen, gehört aber wegen seiner Geschäftsaktivitäten in Magdeburg und den Kauf der Firmen Müller & Weichsel Nachf. und Robert Brand zur Sudenburger Industriegeschichte. |
Firmenchronik:
Jahr: | Ereignis: |
1812 - 1914 |
1812: Firmengründung in Fürth. Textübernahme aus FürthWiki Online (abgerufen am 18.05.2021): "Die Cichorienfabrik Georg Joseph Scheuer stellte von 1812 bis in die 1930er Jahre Kaffee-Ersatz aus der (zu Pulver zermahlenen) Wurzel der Zichorie (Wegwarte) her. Die Fürther Niederlassung der Firma befand sich zuletzt in der Mathildenstraße 36 - 38 und Pfisterstraße 15 sowie Mathildenstraße 40 (Wohnhaus). Georg Joseph Scheuer wurde am 5. November 1789 in Fürth unter dem Namen Isaac Neckarsulmer als Sohn des Isaias Samuel Neckarsulmer geboren und ließ sich am 31. Juli 1811 unter dem Namen Georg Joseph Ignaz Scheuer katholisch taufen. 1812 reichte er ein Niederlassungsgesuch an die Stadt Fürth als Mandelrübenfabrikant ein, aus seinem Gesuch geht jedoch hervor, dass er bereits vor 1812 in der "Mandelrübenkaffeeherstellung" und im "Manufakturhandel" tätig war. 1834 nahm er mit seinen Produkten an der Industrie-Ausstellung in München 1834 teil. 1836/1837 ließ Scheuer sein Kaffee-Surrogat, das er unter dem Namen "Feiner deutscher Kaffee" verkaufte, aufwändig von Braun (Stadtphysikus in Fürth), Dr. Soldrig (Stadtphysikus in Nürnberg) und Dr. Kastner (Professer der Physik und Chemie in Erlangen) untersuchen und die Qualität bestätigen. Bis Ende der 1850er Jahre wurden die Mahlmaschinen in der Fabrik unter dem Einsatz von Pferden betrieben. Nach dem Tode von Georg Joseph Scheuer Mitte der 1850er Jahre übernahmen die Söhne Johann Heinrich Friedrich (geb. 1821) und Johann Matthias (geb. 1823) den Betrieb und modernisierten ihn. Seit 1860 kam eine 4 - 6 PS starke Hochdruckdampfmaschine der Firma J. W. Engelhardt & Co. zum Einsatz, die verschiedene Mühl-, Quetsch- und Kolbengangapparate antrieb. Die Fabrik lag in der Theaterstraße (damalige Hausnr. 35 - 37) und beschäftigte um 1866 25 Mitarbeiter. 1869 wurden von den Fürther Zichorienfabriken jährlich 25.000 Zentner Rohstoffe verarbeitet. Zwei Drittel der gedörrten Zichorienwurzeln stammten aus der Magdeburger Gegend. Die Unternehmen waren deshalb auf billige Frachttarife der Eisenbahn angewiesen. Der Aufschwung durch steigenden Absatz unter anderem auch ins Ausland in den 1860er Jahren war nicht zuletzt auf ermäßigte Bahntarife zurückzuführen. In den 1870er Jahren beschäftigte Scheuer durchschnittlich 20 Personen, vornehmlich Frauen. Am 15. Januar 1872 kam es in dieser Fabrik zu einem Brand, der Gebäude und Vorräte beschädigte. Die 1878/79 von Otto von Bismarck in Deutschland eingeführte Schutzzollpolitik führte Mitte der 1880er Jahre zu einer Krise für die Kaffeesurrogathersteller. Die gedörrten Wurzeln wurden seit einiger Zeit aus Belgien und Holland bezogen, da Deutschland den Bedarf nicht mehr abdecken konnte. Seit 1886 wurden auf die ausländischen Zichorien Zollabgaben erhoben, so dass der Endpreis des Produktes anstieg. Verschärft wurde die Situation dadurch, dass die europäischen Abnehmerländer ebenfalls Schutzzölle erhoben. Dadurch gingen die großen Absatzmärkte Österreich, Italien und die Schweiz verloren. Der Absatz konzentrierte sich in der Folge auf Mitteldeutschland, Sachsen, Thüringen und Nordbayern. Da die deutschen Anbaugebiete der Zichorienwurzel um Magdeburg lagen, waren die Fürther Fabriken gegenüber der Konkurrenz in Norddeutschland benachteiligt. Hinzu kam, dass in der Nacht vom 12. Oktober 1886 wieder ein Feuer ausbrach, das dieses Mal das Maschinenhaus, die Brennerei und die Müllerei gänzlich ausbrannte. Die Firma Georg Joseph Scheuer verlegte deshalb die gesamte Fabrik nach Schönebeck bei Magdeburg. Spätestens ab 1906 produzierte Scheuer allerdings auch wieder in Fürth. ..." |
1914 |
Der Kauf der Magdeburg-Sudenburger Traditionsfirma Müller & Weichsel Nachfolger bringt den Scheuers Zugang zum Magdeburger Ersatzkaffeemarkt. Müller & Weichsel Nachfolger Die Vorbesitzer, die Brüder Johannes und Erich Steffens, wollten sich vom rückläufigen Ersatzkaffeegeschäft trennen und sich auf die lukrativere Schokoladen-, Süßwaren- und Kakaosparte konzentrieren. Vor dem Verkauf wurde 1914 deshalb die Süßwarensparte ausgelagert als Dom-Schokolade-Fabrik Gebr. Steffens & Co. Kom. Ges. Die Scheuers übernahmen mit dem Firmenkauf nur die Zichorien- und Malzkaffee-Sparte und betrieben die Firma auf dem Steffens'schen Firmengrundstück Halberstädter Straße 43 (heute 113/115) weiter. Die Zichorienfabrik befand sich auf dem hinteren Grundstücksteil, das sich bis zur heutigen Salzmannstraße erstreckte. |
1915 |
Kauf der Kaffee Surrogat- und Dampf-Syrup-Fabrik Robert Brandt. Robert Brandt - Magdeburg-Wilhelmstadt, von den Erben des Firmengründers. Firmenverlegung nach Sudenburg. Nach dem Tod von Firmengründer Robert Brandt werden Firma und Firmengrundstück Olvenstedter Straße 60 verkauft. Nur das Lagergrundstück Nr. 58/59 bleibt zunächst im Besitz der Brandt'schen Erben. Firma und Markenrechte erwerben die Gebrüder Scheuer. Die Firma Robert Brandt wird an den Standort Sudenburg verlegt, wo nun für beide Marken produziert wird. Weiterhin wird mit Zichorien-, Ersatzkaffee- und Sirupprodukten gehandelt. Die Vermarktung konzentriert sich hauptsächlich auf das Produkt "Robert Brandt", während "Müller & Weichsel Nachf." immer mehr in den Hintergrund tritt. Der Kopfbogen "Robert Brandt" nach Übernahme und Umzug: Eine Besonderheit auf dem Kopfbogen von 1915 ist das Produkte "A.B.C. Gries", das später nicht mehr beworben wird. "Brandt's Blütenhonigersatz" ist nicht neu, dieser wurde bereits um 1909 als "Feinster Blütenhonig-Syrup" beworben. |
1916 |
Mit Hilfe des Magdeburger Adressbuch 1917 (Datenstand 1916) lassen sich die Veränderungen von 1914/15 gut zusammenfassen.
Alle drei Firmen werden auf dem Steffens'schen Grundstück Halberstädter Straße 43 (heute 113) betrieben,
gegenüber dem Eiskellerplatz: Robert Brandt, Zichorien- und Sirupfbrk., Halberstädter Str. 43, Pers. haft. Gesellsch. Georg Josef Scheuer (Berlin), Fritz Scheuer u. Heinrich Scheuer, hier. Prok. Otto Walter u. Carl Homann. Müller & Weichsel Nachf., Zichorien- und Malzkaffeefabrik, Halberstädter Str. 43, Pers. haft. Gesellsch. Georg Josef Scheuer (Berlin), Fritz Scheuer u. Heinrich Scheuer, hier. Dom-Chocolade-Fabrik Gebr. Steffens & Co., Kommand. Ges., Halberstädter Str. 43 T. 303. Pers. haft. Gesellsch. Johannes Steffens, Erich Steffens u. 1 Kommanditist. Vertretungsberechtigt nur Johannes Steffens. Prok. Richard Hampe u. Otto Böhme. Halberstädter Str 43: (heute 113) Eigent.: Steffens'sche Erben. Brandt, R., Zichorienfbrk. Müller & Weichsel Nachf., Zichorienfbrk. Dom-Chokolade-Fabrik Gebr. Steffens & Co. Kom. Ges., Fabrikantenvilla: Steffens, Erich, Fabrikbes. Erdg. f. Dom-Sch. Steffens, Johannes, Fabrikbes. 1.OG f. Dom-Sch. Scheuer, Fritz, Fabrikbes., Kaiser Wilhelmplatz 4 II., T. 7308 f. Robert Brandt u. Müller & Weichsel Nachf. Scheuer, Heinrich, Fabrikbes., Ackerstr. 4 f, T. 1950 f. Robert Brandt u. Müller & Weichsel Nachf. |
1922 |
Eine Zeitschriften-Werbeanzeige der Firma Robert Brandt weist auf eine Niederlassung in Hamburg hin.
Die Werbung (das Original liegt leider nicht vor) enthält folgenden Wortlaut:
Robert Brandt Weitere Hinweise zur Filiale in Hamburg sind bisher nicht bekannt. In dieser Werbeanzeige wird auch bereits der Brandt Korn-Kaffee, ein Malzkaffee, beworben. Wahrscheinlich stammt dieser nun unter der Marke "Brandt" vertriebene Malzkaffee aus der Produktion der von den Scheuers übernommenen Firma Müller & Weichsel Nachfolger. |
1919-1926 |
Seit 1919 haben sich einige Veränderungen ergeben: Fabrikgrundstück Halberstädter Straße 43 und die Dom-Schokoladen-Fabrik der Gebr. Steffens wurden spätestens 1922 an Walter Engel verkauft, der auch seine Weinbrennerei und Likörfabrik F. A. Engel auf das Grundstück verlagerte. Georg Josef Scheuer ist als Gesellschafter bei Robert Brandt und Müller & Weichsel Nachf. ausgeschieden. Als Inhaber beider Firmen sind 1926 nur noch Fritz Scheuer (inzwischen in Berlin-Dahlem wohnhaft) und Heinrich Scheuer geführt. Die Scheuers haben weiter expandiert und ein weiteres Magdeburger Konkurrenzunternehmen übernommen: Magdeburger Malzkaffee-Fabrik Alfred Knape Die Firma wurde 1899 von Hermann Blumenthal gegründet, später vom Kaufmann A. Knape übernommen, der bis mindestens 1919 Eigentümer blieb. Die Gebr. Scheuer kauften Firma und zugehöriges Grundstück Sedanstraße 12. Aus heutiger Sicht befand sich die Fabrikanlage hinter dem Wohnhaus Westring 6. Die Scheuers nutzten die Fabrik als Getreiderösterei für die Firma Robert Brandt. Die Produktion der Eigenmarke "Mercur" wird wohl eingestellt. Siehe auch: Stadtplanungsamt, "Stadtfeld-Süd", Seite 88 |
1923-25 |
Dieser Aufdruck zierte die Briefumschläge der Firma Scheuer, belegt für 1923 und 1925. Der Aufdrucktext der Standorte ist irreführend, da nicht alle unter dem Firmennamen Georg Joseph Scheuer liefen:
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1925 |
Eine weitere Übernahme ist zu vermelden: Dommerich & Co., Anker-Cichorien-Fabrik. Der 1829 gegründete Traditionsbetrieb wurde ca. 1925 übernommen, als sich die Inhaber, die Gebrüder Bartels zur Ruhe setzten. Das Firmengrundstück Feldstraße 50 (Magdeburg-Buckau) blieb im Eigentum von Carl Volkmar Bartels (Rentner). Hermann Baetge blieb auch unter der neuen Führung Prokurist bei Dommerich & Co.. Mit der Firmenübernahme wurde das Grundstück Feldstraße 50 zum Magdeburger Hauptstandort der Scheuer'schen Betriebe. Spätestens ab Ende 1925 ist auch eine Filiale des Scheuer'schen Stammhauses auf dem Buckauer Grundstück Feldstraße 50 gemeldet: Georg Jos. Scheuer, Abt. Syrupe. |
1927 |
Das Magdeburger Adressbuch 1928 (Datenstand 1927) gibt erneut einen guten Überblick über die
Scheuer'schen Firmen in Magdeburg: Handelsregister: Robert Brandt, Feldstr. 50. Inh. Fritz Scheuer u. Heinrich Scheuer Prok. Carl Homann, Anton Thorhauer, Ernst Krakau. Dommerich & Co., Anker-Cichorien-Fabrik, Feldstr. 50, Inh. Fritz Scheuer (Berlin-Dahlem) und Heinrich Scheuer (hier), Prok. Hermann Baetge. Magdeburger Malzkaffee-Fabrik Alfred Knape, Sedanring 12, Inh. Fritz Scheuer (Berlin-Dahlem) und Heinrich Scheuer, hier, Prok. Friedrich Scheuer (Groß-Salze). Müller & Weichsel Nachf., Zichorien- und Malzkaffeefabrik, Ohne Adresse! Inh. Fritz u. Heinrich Scheuer. Anm.: Die Firma besteht scheinbar nur noch auf dem Papier. Eine Postadresse besitzt sie nicht mehr. Feldstr. 50: E. Bartels, C. V., Rentner (Schönebecker Str. 43.44) Baetge, H., Prokurist 1 Brandt, R., Zichorienfabr. T. Steph 40286. Dommerich & Co., Anker-Zichorienfbrk., T. Steph. Nr. 40070. Scheuer, G. J., Zichorienfabrik T. Steph. 40329. Halberstädter Str 43: (heute 113): Weiterhin eingetragen: Zichorienfabrik Robert Brandt. Scheuer, Georg Jos., Fabrikbes., Feldstr. 50 T. Steph. 40329. Anm.: Wahrscheinlich ist die Firma gemeint. Scheuer, Heinrich, Fabrikbes., Mozartstr. 6, T. 1950. |
1928 |
Verkauf des Scheuer'schen Stammhauses. 1928 wird die Firma Georg Joseph Scheurer an den deutschen Ersatzkaffee-Marktführer Heinrich Franck Söhne, Ludwigsburg vergekauft und nachfolgend liquidiert. Die Firma Franck ist in Sudenburg / Magdeburg keine Unbekannte. Bereits 1910 hatte sie die Zuckerwaren- und Ersatzkaffee-Fabrik von Bethge & Jordan (Halberstädter Straße 40) übernommen und 1913/14 den Standort Sudenburg geschlossen. 1944 fusionierte Franck mit der Kathreiner GmbH. Mit diesem Verkauf nähert sich auch das Ende der Magdeburger Firmen der Scheuers. Bereits 1929 (Adressbuch 1930) wird die Magdeburger Malzkaffee-Fabrik als "in Liquidation" geführt. |
1929 |
Eines der letztes Lebenszeichen der Fa. Scheuer von Juni 1929, nach dem Verkauf an Franck: Ob die Weltwirtschaftskrise Einfluss auf die bevorstehende Abwicklung der Firma Robert Brandt hat, ist unbekannt. Wahrscheinlich war sie aber bereits beim Verkauf des Stammbetriebs der Scheuers beschlossen Sache. |
1930 |
Abwicklung der Scheuer'schen Firmen. 1930 befinden sich alle Scheuer'schen Unternehmen Magdeburgs in der Auflösung, wie die Einträge im Adressbuch 1931 zeigen. Liquidatoren sind in allen Fällen die Firmeninhaber selbst. Die Firmensitze wurden für die Abwicklung auf das Scheuer-Grundstück Sedanring 6 (ehemals 12) verlegt (heutige Westring). Handelsreg.: Robert Brandt i. Liqu., Sedanring 6, Liquidatoren Fritz Scheuer u. Heinrich Scheuer. Dommerich & Co., Anker-Cichorien-Fabrik in Liqu., Sedanring 6. Liquidatoren Fritz Scheuer, Berlin-Dahlem u. Heinrich Scheuer, hier. Magdeburger Malzkaffee-Fabrik Alfred Knape in Liqu., Sedanring 12, (Anm.: Müsste Nr. 6 heißen). Liquidatoren Fritz Scheuer (Berlin-Dahlem) u. Heinrich Scheuer (hier). Müller & Weichsel Nachf. in Liquidation, (ohne Adresse) Liquidatoren Fritz u. Heinrich Scheuer. Spätestens 1931 ist die Abwicklung abgeschlossen, die Firmen sind erloschen. |
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