Firmenblatt: | Bearbeitungsstand: 12.08.2021 |
Die Industriegeschichte Sudenburgs
Firmendaten:
Gründung - Ende: | 1869/70 - 1930 (liquidiert) |
Gründer: | Carl Heinrich Ferdinand Steffens (* 26.01.1844 in Magdeburg, † 26.10.1900 in Sudenburg) |
Standort(e): | Halberstädter Straße 113 und 115 |
Produkt(e): | Zichorienpulver, Malzkaffee, Schokolade, Zuckerwaren, Teehandel |
Bemerkungen: |

[Bildquelle: Archiv Thomas Garde]
Firmenchronik:
Jahr: | Ereignis: |
1869/70 | Am 12.04.1869 verstirbt H. W. Müller, der Inhaber des Unternehmens Müller & Weichsel. Die Gebrüder Steffens führen das Unternehmen unter neuem Namen als Müller & Weichsel Nachfolger fort. Neuer Inhaber ist der Kaufmann Ferdinand Steffens. Über den oder die Teilhaber ist derzeit nichts bekannt. Zumindest ein Bruder muss wohl beteiligt gewesen sein. Noch unklar ist, was die Fabrik zu diesem Zeitpunkt produzierte. Die Zichorienfabrik im hinteren Teil des Firmengeländes, an der heutigen Salzmannstraße, produzierte weiterhin. Ob jedoch die Zigarren- und Tabakfabrik noch arbeitete ist nicht geklärt. |
1881 | Ferdinand Steffens läßt an der Halberstädter Straße eine großzügiges Wohnhaus für sich und seine Familie errichten.![]() Halberstädter Str. 113, auf einer Ansichtskarte von 1899. [Bildquelle: Archiv Thomas Garde] |
1888 |
Der 1. Bauabschnitt der Schokoladenfabrikation Müller und Weichsel Nachf. wird erstellt. Mit Planung und Bauausführung war der Sudenburger Industriearchitekten Max Behrend beauftragt. Es entstand u.a. ein dreigeschossige Fabrikgebäude aus dem in dieser Zeit typischen Ziegelsichtmauerwerk. Der 2. Bauabschnitt folgt 1890. Hinter dem neuen Fabrikgebäude entstehen verschiedene für die Produktion benötigte Anbauten. Das dreigeschossige Fabrikgebäude ist erhalten und steht heute unter Denkmalschutz. Es liegt zurückgesetzt auf dem Grundstück, hinter dem Anfang der 1990er entstandenen Gebäude der "Eiskellerpassage". ![]() [Aufnahme von 2012] |
1900 |
26.10.: Der Fabrikbesitzer Ferdinand Steffens verstirbt im Alter von nur 56 Jahren und wird auf dem "Neuen Sudenburger Friedhof" beigesetzt. Anm.: Wer nun die Leitung der Firma übernahm und wer neuer Inhaber wurde ist ungeklar. |
1903 |
![]() [Bildquelle: Archiv Thomas Garde] |
1908 |
![]() [Bildquelle: Archiv Thomas Garde] |
1910 |
Neu: Produktion von Malzkaffee.![]() mit grafischer Darstellung des Firmengeländes. [Bildquelle: Archiv Thomas Garde] |
Neben Dom-Cacao und Dom-Schokolade wurden weitere Zuckerwaren hergestellt und gehandelt. Produkte (in Originalschreibweise) waren u.a.:
Werbung in heutigem Sinne gab es zu dieser Zeit noch nicht. Viele Unternehmen setzten Sammelbilder ein, um die Käuferschaft an die Marke zu binden. Solche Sammelbildserien gab es sowohl für den Betriebsteil "Chokolade-Fabrik", als auch für den Betriebsteil "Cichorien- und Caffee-Surrogat-Fabrik". ![]() ![]() Sammelbild aus der Serie "Preussische Geschichte" der Schokoladenfabrik Müller & Weichsel Nachfolger. [Bildquelle: Archiv Sudenburg-Chronik] |
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1912/13 |
![]() [Bildquelle: Archiv Thomas Garde] |
1914 |
Ausgründung der Dom-Chokolade-Fabrik Gebr. Steffens & Co. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs erfährt das Unternehmen durch die Konzentration auf die Schokoladen und Süßwarenherstellung einen Umbruch. Die Schokoladen- und Süßwarensparte werden als "Dom-Chocolade-Fabrik Gebr. Steffens & Co." ausgelagert, das rückläufige Zichorien- und Malzkaffeegeschäft wird verkauft. Käufer der Firma Müller & Weichsel Nachf. mit der verbliebenen Kaffeesparte sind die Gebrüder Scheuer die unter dem Firmennamen Georg Jos. Scheuer bereits Ersatzkaffeefabriken in Fürth und Schönebeck betreiben. Die neuen Eigentümer führen die Firma auf dem Steffens'schen Grundstück zunächst als Pächter weiter. |
1915 | Die Scheuers kaufen die Kaffee-Surrogat- und Dampf-Syrup-Fabrik Robert Brandt (Magdeburg-Stadtfeld) von den Erben des Firmengründers Robert Brandt. Verkauft werden nur Firma und Markenrechte, nicht jedoch das Grundstück mit den Produktionsanlagen. Die Firma wird deshalb ebenfalls auf dem Steffens'schen Grundstück Halberstädter Straße 43 (heute 113) angesiedelt, wo nun für beide Firmen produziert wird. Firma Robert Brandt wird zur Hauptmarke und die Aktivitäten von Müller & Weichsel Nachf. zurückgefahren. |
1916 |
Eine Zusammenfassung der Informationen liefert das Magdeburger Adressbuch von 1917: Handelsregister: Dom-Chocolade-Fabrik Gebr. Steffens & Co., Kommand. Ges., Halberstädter Str. 43 (heute 113), Pers. haft. Gesellsch. Johannes Steffens, Erich Steffens u. 1 Kommanditist. Vertretungsberechtigt nur Johannes Steffens. Prok. Richard Hampe u. Otto Böhme. Müller & Weichsel Nachf., Zichorien- u. Malzkaffeefabrik, Halberstädter Str. 43, Pers. haft. Gesellsch. Georg Josef Scheuer (Berlin), Fritz u. Heinrich Scheuer hier Robert Brandt, Zichorien- u. Sirupfbrk., Halberstädter Str. 43, Pers. haft. Gesellsch. Georg Josef Scheuer (Berlin), Fritz u. Heinrich Scheuer hier Prok. Otto Walter u. Carl Homann Halber 43 (heute 113): E. Steffens, C., Fabrikbes. Erdg. E. Steffens, J., Fabrikbes. 1. OG Brandt, R., Zichorienfbrk., Dom-Schokolade-Fabrik Gebr. Steffens & Co. Kom. Ges. Fiering, C., Fuhrgesch. H.1 Müller & Weichsel Nachf., Zichorienfbrk., |
1919 |
Die Gebrüder Steffens verkaufen Firma und Grundstück. [1] Neuer Eigentümer des Gewerbegrundstücks Halberstädter Straße, mit Fabrikantenvilla und Schokoladenfabrik, wird Walter Engel. Die Fabrik heißt nun: ![]() [Bildquelle: Auszug aus Werbeanzeige 1922, Archiv Thomas Garde] Engel verlegt auch sein in der Fürstenstraße bestehendes Unternehmen auf das Betriebsgelände: ![]() [Bildquelle: Auszug aus Werbeanzeige 1922, Archiv Thomas Garde] F. A. Engel - Weinbrennerei und Likörfabrik |
1922 |
Recht realistische Grundstücksdarstellung auf einer Werbeanzeige von 1922:![]() [Bildquelle: Auszug aus Werbeanzeige, Archiv Thomas Garde] Rechts neben der Betriebseinfahrt läßt der neue Besitzer (nach 1922) ein Wohn- und Geschäftshaus mit vier Ladengeschäften errichten. Zuvor bestand auf diesem Grundstücksteil an der Halberstädter Straße ein kleiner Garten mit Laube. [2] Anm.: Dieses Gebäude wurde Mitter der 1990er Jahre abgerissen und 1999 durch das heutige, die "Eiskellerpassage", ersetzt. Das wohl bekanteste dort ansässige Geschäft, vielen Sudenburgern sicher noch in Erinnerung, war "Rosenplenter", das bis 2005 am Standort betrieben wurde. |
1919-1926 |
Seit 1919 haben sich einige Veränderungen ergeben: Georg Josef Scheuer ist als Gesellschafter bei Robert Brandt und Müller & Weichsel Nachf. ausgeschieden. Als Inhaber beider Firmen sind 1926 nur noch Fritz Scheuer (inzwischen in Berlin-Dahlem wohnhaft) und Heinrich Scheuer geführt. Die Scheuers haben expandiert und zwei weiter Magdeburger Konkurrenzunternehmen übernommen: Magdeburger Malzkaffee-Fabrik Alfred Knape ![]() [Bildquelle: Archiv Thomas Garde] Dommerich & Co., Anker-Cichorien-Fabrik. ![]() [Bildquelle: Archiv Thomas Garde] Spätestens ab Ende 1925 ist auch eine Filiale des Scheuer'schen Stammhauses auf dem Buckauer Grundstück Feldstraße 50 gemeldet: Georg Jos. Scheuer, Abt. Syrupe. ![]() [Bildquelle: Archiv Thomas Garde] |
1927 |
Das Magdeburger Adressbuch 1928 (Datenstand 1927) gibt erneut einen guten Überblick über die
Scheuer'schen Firmen in Magdeburg: Handelsregister: Robert Brandt, Feldstr. 50. Inh. Fritz Scheuer u. Heinrich Scheuer Prok. Carl Homann, Anton Thorhauer, Ernst Krakau. Dommerich & Co., Anker-Cichorien-Fabrik, Feldstr. 50, Inh. Fritz Scheuer (Berlin-Dahlem) und Heinrich Scheuer (hier), Prok. Hermann Baetge. Magdeburger Malzkaffee-Fabrik Alfred Knape, Sedanring 12, Inh. Fritz Scheuer (Berlin-Dahlem) und Heinrich Scheuer, hier, Prok. Friedrich Scheuer (Groß-Salze). Müller & Weichsel Nachf., Zichorien- und Malzkaffeefabrik, Ohne Adresse! Inh. Fritz u. Heinrich Scheuer. Anm.: Die Firma besteht scheinbar nur noch auf dem Papier. Eine Postadresse besitzt sie nicht mehr. Feldstr. 50: E. Bartels, C. V., Rentner (Schönebecker Str. 43.44) Baetge, H., Prokurist 1 Brandt, R., Zichorienfabr. T. Steph 40286. Dommerich & Co., Anker-Zichorienfbrk., T. Steph. Nr. 40070. Scheuer, G. J., Zichorienfabrik T. Steph. 40329. Halberstädter Str 43: (heute 113): Weiterhin eingetragen: Zichorienfabrik Robert Brandt. Scheuer, Georg Jos., Fabrikbes., Feldstr. 50 T. Steph. 40329. Anm.: Wahrscheinlich ist die Firma gemeint. Scheuer, Heinrich, Fabrikbes., Mozartstr. 6, T. 1950. |
1928 |
Verkauf des Scheuer'schen Stammhauses. 1928 wird die Firma Georg Joseph Scheurer an den deutschen Ersatzkaffee-Marktführer Heinrich Franck Söhne, Ludwigsburg vergekauft und nachfolgend liquidiert. Die Firma Franck ist in Sudenburg / Magdeburg nicht unbekannt. Bereits 1910 hatte sie die Zuckerwaren- und Ersatzkaffee-Fabrik von Bethge & Jordan (Halberstädter Straße 40) übernommen und 1913/14 den Standort Sudenburg geschlossen. 1944 fusionierte Franck mit der Kathreiner GmbH. Mit dem Verkauf nähert sich auch das Ende der Magdeburger Firmen der Scheuers. Bereits 1929 (Adressbuch 1930) wird die Magdeburger Malzkaffee-Fabrik als "in Liquidation" geführt. |
1930 |
Ende der Scheuer'schen Firmen. Nach Verkauf der Stammfirma "Georg Jos. Scheuer" werden die verbliebenen Magdeburger Firmen der Scheuers liquidiert, wie die Einträge im Adressbuch 1931 zeigen. Die Firmensitze wurden für die Abwicklung auf das Scheuer-Grundstück Sedanring 6 (ehemals 12) verlegt (heutige Westring). Liquidatoren sind in allen Fällen die Firmeninhaber selbst: Fritz Scheuer (Berlin-Dahlem) und Heinrich Scheuer (Magdeburg). Handelsreg.: Müller & Weichsel Nachf. in Liquidation, (ohne Adresse) Robert Brandt in Liqu., Sedanring 6, Dommerich & Co., Anker-Cichorien-Fabrik in Liqu., Sedanring 6. Magdeburger Malzkaffee-Fabrik Alfred Knape in Liqu., Sedanring 12. (Anm.: Müsste Nr. 6 heißen, die Firma wird bereits 1929 als "in Liquidation" geführt. Spätestens 1931 ist die Abwicklung abgeschlossen, die Firmen sind erloschen. Die Engel'schen Unternehmen produzieren weiter: Dom-Schokolade-Fabrik Walter Engel, Halberstädter Str. 43, Inh. Walter Engel, Prok. Otto Böhme u. Walter Engel. F. A. Engel, Halberstädter Str. 43, Inh. Walter Engel, Prok. Hans Engel. Halberstädter Straße 43: E. Engel, W., Fabrikbes. T. 40303 Dom-Schokolade-Fabrik Walter Engel T. 40303. Duckstein, C., Tischler. H. Engel, F. A., Weinbrennerei T. 41975. Fiering, C., Fuhrgesch. T. Nr. 41342. Kätzler, P., Schnürriemenfabrik T. 40233. Rosenplenter, H., Hutfabrk. T. 41433. Steffens, H., Handelsvertreter T. 42676 1 Thams & Garfs, Hambg. Kaffee-Lager. |
1931 |
Die Firma Müller & Weichsel Nachf. ist erloschen, nur die ausgelagerte Süßwarensparte
produziert noch:
Adressbuch von 1932: Handelsreg.: Dom-Schokolade-Fabrik Walter Engel, Halberstädter Str. 43, Inh. Walter Engel, Prok. Otto Böhme und Walter Engel. F. A. Engel, Halberstädter Str. 43, Inh. Walter Engel, Prok. Hans Engel. Halber 43: E. Engel, W., Fabrikbes. Benze, B., Möbelhdlg. Dom-Schokolade-Fabrik Walter Engel Engel, F.A., Weinbrennerei. Fiering, C., Fuhrgeschäft. Kätzler. P-, Schnürriemenfabrik. Polario-Eis-G.m.b.H. Rosenplenter, H., Hutfabrk. Thams & Garfs, Hambg. Kaffee-Lager. |
1935 |
Alle Scheuer'schen Firmen sind abgewickelt. Auch die Dom-Schokolade-Fabrik existiert nicht mehr: Magdeburger Adressbuch 1936: Handelsreg.: Robert Brandt: Kein Eintrag. Dommerich & Co.: Kein Eintrag. Magdeburger Malzkaffee-Fabrik: Kein Eintrag. Mueller & Weichsel Nachf.: Kein Eintrag. F.A. Engel, Halberstädter Str. 113, Inh. Kurt Engel. Halber 113 (ex 34): E. Engel jun, W., Fabrikbesitz. Benze, G., Möbelhdlg. Engel, F. A., Weinbrennerei. Engel sen, W., Kfm. Goedecke, W., Obsthdlg. Kätzler, P., Schnürriemenfabrik. (OKA) Nordland-Verlag G.m.b.H. Anm.: Im hinteren Bereich des Grundstücks werden nachfolgend die Gewerbegebäude abgerissen. Dort entsteht Anfang der 1940er Jahre der GutsMuthsweg, an dem die Engels dreigeschossige Mietshäuser errichten lassen. Ebenso wird die hintere Grundstücksgrenze am Königsweg (heute Salzmannstraße) bebaut. Dort entstehen die Mietshäuser Salzmannstraße 8, 10, 12, 14 und 16 (einziges Haus mit viergeschossigem Teil). |
Quellen:
- [1] - Sabine Ulrich, "Industriearchitektur in Magdeburg - Brauereien, Mühlen, Zucker- und Zichorienindustrie", Heft 78, Stadtplanungsamt Magdeburg, 2003.
- [2] - Gröschner/Niemann, "Eine Straße mit Charakter und Geschichte - Die Halberstädter Straße in Magdeburg", dr. ziethen verlag, Oschersleben, 2007, S. 169-172.
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